Hamburg Carl Hagenbeck prägte Zoowelt

Hamburg · Der Zoo-Pionier wollte die Tiere wie in freier Wildbahn präsentieren. Er starb vor 100 Jahren.

Durch das "Tierparadies" zieht sich ein Graben – so wie es sich Carl Hagenbeck gewünscht hat. Eine Theaterbühne für die Tiere, kein Zurschaustellen in engen Gitterkäfigen. "Die Gämsen, Wildschafe und Steinböcke auf künstlichen Gebirgen, die Tiere der Steppe auf weiten freien Triften, die Raubtiere in unvergitterten Schluchten, nur durch einen Graben von den Besuchern getrennt", lautete die Forderung des Hamburger Tierhändlers an den Schweizer Bildhauer Urs Eggenschwyler.

Als Hagenbeck 1907 den Tierpark eröffnete, war er angekommen in seinem Garten Eden. Sechs Jahre später, als er am 14. April 1913 starb, trauerten nicht nur die Hamburger um ihren "Papa Hagenbeck" – weit über die Hansestadt hinaus war sein Name bekannt geworden.

"Carl Hagenbeck ist einer derjenigen, der weltweit neue Maßstäbe gesetzt hat", sagt Theo Pagel vom Verband Deutscher Zoodirektoren. "Sein ,gitterloser' Zoo war damals noch mehr als heute eine absolute Sensation. Man kann tatsächlich den Eindruck gewinnen, dass alle Tiere wie im Paradies zusammenleben", urteilt Pagel, der den Kölner Zoo leitet. "Es war aber natürlich so, dass Gräben die Raubtiere von den anderen Tieren trennten – das hat er extrem geschickt gemacht", sagt er über Hagenbeck, dessen Tierpark bei der Eröffnung im noch nicht zu Hamburg gehörenden Stellingen für die damalige Zeit revolutionär war.

Freier und natürlicher als in den bis dahin üblichen Menagerien und zoologischen Gärten wollte Hagenbeck die Tiere halten. "Er wusste aus jahrelangen Erfahrungen, dass die Menschen Spaß daran haben, Tiere zu beobachten, zuzuschauen, wie sie miteinander spielen oder sich balgen", schreibt Autor Haug von Kuenheim in der Biografie des Tierparkgründers. "Er hatte das sichere Gefühl, dass sie Tiere, die hinter Gittern gehalten werden, zwar nicht völlig ablehnen, aber sie doch lieber in ,freier Wildbahn' erleben, auch wenn diese nur eine scheinfreie ist."

Schon Hagenbecks Vater hatte erkannt, dass man Geld damit verdienen kann, den Menschen Tiere zu verkaufen oder zu zeigen. Als Finkenwerder Fischer dem Fischhändler 1848 sechs Seehunde lieferten, präsentierte er die Tiere gegen Geld. Es sollte die Geburtsstunde des Hagenbeckschen Tierhandels werden, in dem Sohn Carl schon als Elfjähriger mit dem Vater auf Geschäftsreisen ging. Er widmete sich bereits mit 15 Jahren dem Tierhandel und gewann als 18-Jähriger auf Tierauktionen wichtige Geschäftspartner wie Zoodirektoren und Menageriebesitzer.

Hagenbeck versorgte Zoos mit exotischen Tieren und stellte sie selbst zur Schau. Löwen, Affen und Giraffen gab es schon in "C. Hagenbeck's Handlungs-Menagerie" auf St. Pauli zu sehen. Ab 1874 sorgte der geschäftstüchtige Tierhändler allerdings mit anderen Präsentationen für Aufsehen: mit sogenannten Völkerschauen. Er zeigte echte Lappländer oder Eskimos und wurde zu einem der erfolgreichsten Veranstalter dieser Art in Europa. Kritik an der Zurschaustellung "exotischer Völker", die auch in anderen Ländern und von anderen Veranstaltern organisiert wurden, kam erst später auf – zur Jahrhundertwende waren sie Teil der Unterhaltungsindustrie.

Der Unternehmer machte als Zirkusdirektor und Dompteur auch die gewaltlose Dressur von wilden Tieren populär. 1896 ließ er sich schließlich seine Panorama-Idee für Tierparks patentieren: Die Tiere sollten sich im Freien, in einer Kulissenlandschaft aufhalten, die dem Betrachter die Illusion vermittelte, er erlebe die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung, wie von Kuenheim berichtet. "Eine Art Theatergraben sollte Mensch und Tier gefahrlos trennen." Mehr als 100 Jahre später gehört der Hamburger Tierpark nach wie vor zu den bekanntesten in Deutschland.

(dpa)
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