Cannabis Rauschmittel als Medizin

Schwerkranke können Cannabis in der Apotheke kaufen - die Kosten übernimmt die Kasse. Das hat der Bundestag entschieden. Doch wobei hilft die Droge?

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Foto: shutterstock.com / Miss Nuchwara Tongrit

Kaum eine Substanz ist so umstritten wie Cannabis. Als Droge geraucht, kann sie Übelkeit, Erbrechen und in seltenen Fällen Psychosen auslösen. Zugleich gibt es zahlreiche Studien und Berichte von Patienten, die zeigen, dass der Wirkstoff von Marihuana viele gesundheitliche Beschwerden lindern kann. Als wirkungsvoll zeigt sich die Pflanze vor allem in solchen Fällen, bei denen herkömmliche Medikamente versagen.

Bereits 2016 hatten deswegen 1020 Patienten eine Sondergenehmigung für Cannabis vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Während sie für die Therapie allerdings noch selbst in die Tasche greifen mussten, bekommen Schwerkranke die Kosten seit März 2017 von den Krankenkassen erstattet. Das hat der Bundestag vergangene Woche entschieden - und Cannabis somit erstmals offiziell als Medizin anerkannt. Was Sie wissen müssen.

So wirkt Marihuana

Als wirkungsvoll gelten vor allem die beiden Inhaltsstoffe Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). Während das THC auch berauscht, wird dem Cannabidiol vor allem eine entzündungshemmende und schmerzlindernde Wirkung zugeschrieben. Verwendet werden Cannabisextrakte, Cannabisblüten oder einzelne Cannabinoide. Das sind Mittel auf Cannabisbasis.

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Foto: dpa/Annette Riedl

Wann Cannabis hilft

  • Asthma: Cannabis erweitert die Bronchien und kann somit die Atmung von Asthma-Patienten verbessern. Als Joint sollte es dann natürlich nicht geraucht werden.
  • Grüner Star (Glaukom): Bei einem Glaukom wird nach und nach der Sehnerv zerstört. Der Patient erblindet. Einer der größten Risikofaktoren ist ein steigender Augeninnendruck. Wie Studien zeigen, kann der Wirkstoff Cannabidiol diesen reduzieren.
  • Krebs: Der appetitanregende Effekt von Marihuana ist bekannt. Insbesondere Menschen, die Chemo- und Strahlentherapie gegen Krebserkrankungen bekommen, kann das helfen. Sie magern während der anstrengenden Prozedur oft gefährlich ab. Denn neben generellem Appetitverlust verspüren viele Patienten starke Übelkeit und Brechreiz durch die Therapie. Auch dagegen hat sich Cannabis in der Vergangenheit als hilfreich erwiesen. Erste Studien zur Wirksamkeit von THC gegen Übelkeit bei Krebspatienten zeigten bereits 1975 Erfolge. Eine ähnliche Wirkung stellt sich auch bei Aids ein, in dessen Verlauf Betroffene ebenfalls dazu tendieren, abzumagern und unter Schmerzen und Übelkeit leiden.
  • Multiple Sklerose: Da CBD Spastiken lindern kann, wird es gegen verschiedene Krankheiten mit eben diesem Symptom eingesetzt. Als besonders effektiv hat es sich etwa bei Multipler Sklerose gezeigt. Zum einen verbessert der Konsum die Bewegungsfähigkeit der Betroffenen, zum anderen lindert es die Schmerzen. Ähnliches gilt bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen wie Arthritis.
  • Tourette: Bei der Nervenkrankheit zeigen die Patienten spontane, impulshafte Handlungen. Das können Worte sein, die unabsichtlich ausgesprochen werden, oder unwillkürliche Bewegungen mit dem Körper. Diese sogenannten Tics können durch die beruhigende Wirkung von Cannabis weniger werden.

Ist die Einnahme von Cannabis ungefährlich?

Nein, allerdings gilt das auch für viele herkömmliche Therapien. Cannabis kann abhängig machen und in seltenen Fällen in eine Psychose führen. Gängigere Symptome nach der Einnahme sind trockener Mund, Übelkeit, Schwindel und Müdigkeit. Das größte Problem: Bislang ist vieles über die medizinischen Wirkungen noch nicht erforscht.

Wie bekommt man Cannabis?

Seit März 2017 kann es ein Arzt auf Kosten der Krankenkassen verschreiben, wenn eine, laut Gesetz, "nicht ganz entfernt liegende Aussicht" auf eine positive Wirkung besteht. Der Arzt muss zuvor nicht alle anderen Therapieoptionen ausprobiert haben, sondern kann es wie andere Medikamente verschreiben. Im nächsten Schritt muss der medizinische Dienst der Kassen die Therapie genehmigen, hat dafür aber nur drei Tage Zeit. In der Apotheke erhält der Patient dann getrocknete Cannabisblüten oder Cannabisextrakt. Öl aus Hanfpflanzen kann über eine Vorrichtung inhaliert werden. Mediziner berichten, dass manche Patienten angeben, Cannabis helfe ihnen am besten, wenn sie es rauchen. Bereits auf Rezept verfügbar sind Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis. Die Therapiedaten der Patienten müssen anonymisiert zur weiteren Erforschung der Cannabiswirkung zur Verfügung gestellt werden.

Wird Cannabis nun stark verbreitet?

Nein. Mediziner gehen zwar davon aus, dass sich die Anwenderzahlen erhöhen werden, es insgesamt aber doch Einzelfälle bleiben. Am Verbot von Hanf als Rauschmittel für den Freizeitkonsum ändert sich durch die Gesetzesnovelle nichts.

Das sollten Sie über Cannabis wissen
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Darf man Cannabis nun selbst anbauen?

Nein. Den Anbau soll eine beim BfArM angesiedelte Cannabisagentur regeln, sie soll Cannabis kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben. Bis die Agentur aufgebaut ist, wird Cannabis importiert.

(ham)
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