Nach Bissen im Kino Frankreich sucht die Bettwanze
Paris · Ein Land ist im Bettwanzen-Fieber: In Frankreich haben Berichte über die krabbelnden Tiere Aufregung ausgelöst. Nun ist die Politik auf den Plan gerufen, schließlich stehen 2024 die Olympischen Spiele in der Hauptstadt an. Wird es bis dahin eine Lösung geben?
Sie sind klein, beißen und sind schwer wieder loszuwerden: Bettwanzen sind in Frankreich plötzlich ein großes Gesprächsthema und beschäftigen auch die Regierung. Los ging alles noch in den Sommerferien, als es Aufregung um Wanzen in einem Pariser Kino gab. Nachdem eine Besucherin der Zeitung „Le Parisien“ schilderte, wie sie mit dem Rücken voller Bisse aus dem Saal kam, sah sich die Kinokette UGC zu einer Entschuldigung veranlasst. Die Wanzen kämen überall vor, wo sich Menschen aufhielten, und man bekämpfe sie. Heißer Wasserdampf werde eingesetzt, ein auf die Insekten spezialisierter Hund inspiziere im Anschluss die Säle, hieß es.
Fotos und Videos in den Sozialen Medien
Berichte über das unangenehme Thema einschließlich Fotos von Wanzen unter dem Vergrößerungsglas haben Teile der Bevölkerung, wie es scheint, nun zu wahren Bettwanzendetektiven werden lassen.
Fest steht, dass die schuppigen, etwa einen halben Zentimeter großen Tiere, die zu den Schnabelkerfen zählen, in den vergangenen Wochen mehr Aufmerksamkeit bekommen haben als zuvor. Über die sozialen Medien werden vermeintliche Wanzen gemeldet, wackelige Videobilder inklusive. „10 oder 15 Minuten vor der Ankunft in Lille-Flandres bemerkte ich einen kleinen Käfer, der ein wenig auf dem Sitz herumlief“, schilderte Passagierin Irina dem Sender BFMTV ihre Fahrt im Hochgeschwindigkeitszug TGV. „Ich fragte mich, ob es vielleicht eine Bettwanze war. Ich habe es gefilmt und an zwei Freunde geschickt, die mir das bestätigt haben.“ Auch aus einem Zug von Marseille nach Paris postete ein junger Passagier eine mutmaßliche Wanze.

Kleidermotten, Wanzen, Kakerlaken - Ungebetene Gäste im Haushalt
Die millionenfach angeklickten Wanzenvideos haben die Staatsbahn SNCF auf den Plan gerufen. In den letzten Monaten habe es keine bestätigte Präsenz von Bettwanzen in den TGV-Zügen gegeben, hieß es. „Dies ist ein Risiko, bei dem wir besonders wachsam sind, wir nehmen jede Meldung ernst und es wird kein Risiko eingegangen“, teilte die SNCF mit. Die Züge würden mit Blick auf Insekten konsequent desinfiziert.
Bettwanzenfund in der U-Bahn?
Am vergangenen Mittwoch dann gab es eine Wanzenmeldung quasi aus der Herzkammer des Hauptstadtlebens, der Pariser Metro. Ein Fahrer der Linie 8 war sich sicher, einen der Parasiten in der Fahrerkabine entdeckt zu haben. Die Verkehrsbetriebe RATP meldeten, die Bahn sei außer Betrieb genommen worden, weder in dem Zug noch anderen Verkehrsmitteln habe man aber tatsächlich eine Wanze ausfindig gemacht. Längst aber hatten sich die Stadtverwaltung, die Gewerkschaft und Politiker eingeschaltet.
„Der Staat muss dringend alle betroffenen Akteure zusammenbringen, um einen Aktionsplan zu entfalten, der dieser Plage gewachsen ist, während sich ganz Frankreich darauf vorbereitet, 2024 die Olympischen und Paralympischen Spiele auszurichten“, schrieb der erste Stellvertreter der Pariser Bürgermeisterin, Emmanuel Grégoire, an Premierministerin Élisabeth Borne. Angesichts der Wanzen brauche man nicht in eine Psychose zu verfallen, man müsse sich dem Problem aber stellen, sagte der Lokalpolitiker in einem TV-Interview.
In Bezug auf öffentliche Verkehrsmittel nahm Verkehrsminister Clément Beaune sich am Freitag des Wanzenthemas an. Er werde in der nächsten Woche mit den Verkehrsbetrieben über die getroffenen Maßnahmen im Dienste der Reisenden beraten, teilte Beaune mit. Es gehe darum, die Menschen zu beruhigen und zu schützen.
Die Politik will schnell reagieren
In der französischen Nationalversammlung ließ sich am Dienstag eine größere Gruppe Bettwanzen sehen, allerdings in einem gut verschlossenen transparenten Behältnis. Die linkspopulistische Abgeordnete Mathilde Panot hielt ihn zu Demonstrationszwecken in die Luft, während sie der Regierung vorwarf, nicht genug gegen die Verbreitung von Bettwanzen zu tun. Sie forderte die Einrichtung eines kostenlosen Desinfektionsdienstes für betroffene Bürger.
Das Regierungslager will im Dezember einen Gesetzesvorschlag zum Umgang mit Bettwanzen einbringen - räumte aber ein, dass nicht einmal das Ausmaß des Problems bekannt sei. „Wir wissen nicht, ob es heute mehr Bettwanzen gibt als 2019“, sagte der Renaissance-Abgeordnete Bruno Studer. Nach einer im Juli veröffentlichten Studie sind elf Prozent aller Haushalte in Frankreich betroffen - unabhängig vom sozialen Milieu.
Drohende Imageschäden?
Die Aufregung der Politiker hängt nicht zuletzt mit den Olympischen Spielen zusammen, die im kommenden Sommer in Paris und an anderen Orten im Land stattfinden: Angesichts der erwarteten Besucherscharen soll alles getan werden, um einen Imageschaden zu vermeiden. „Wir wollen die Touristen in den besten Bedingungen empfangen“, mahnte der Abgeordnete Robin Reda.
„Wer Bettwanzen hat, für den ist es die Hölle“, sagte Gesundheitsminister Aurélien Rousseau, der zugleich betonte, dass es „keinen Grund für allgemeine Panik“ gebe.
Die Rückkehr der Bettwanze – und ihre Gründe
Auch in Deutschland sind die vor Jahrzehnten noch quasi verschwundenen Bettwanzen wieder ein Thema, unter anderem durch mehr Mobilität, das viele Reisen wachsende Resistenz der Tierchen gegen Insektizide und vermutlich auch durch den Klimawandel. Die Wanzen saugen Blut und leben in bewohnten geschlossenen Räumen. Sie verstecken sich etwa in Betten, in Möbelfugen oder Ritzen. Sie werden zum Beispiel im Gepäck an andere Orte gebracht, aber auch durch getragene Kleidung. Ihr Biss kann starken Juckreiz verursachen. Experten empfehlen, in Hotelbetten vorab nach Wanzen Ausschau zu halten und Gepäck und Kleidung bei der Rückkehr zu Hause in der Dusche auszuschütteln.