London BBC-Chef tritt nach Skandal zurück

London · Fatale Recherchefehler und die falsche Beschuldigung eines konservativen Politikers kosten George Entwistle den Job.

Seine Hände zitterten nicht, seine Stimme blieb ruhig und fest, einzig die glänzenden Schweißperlen auf der Stirn des Generaldirektors der BBC verrieten die große Anspannung des Mannes, der wenige Augenblicke zuvor einen Traumjob mit einem Gehalt von 450 000 Pfund (rund 560 000 Euro) aufgegeben hatte. "Die BBC ist voller talentierter Menschen, darum bleibt sie der beste Sender der Welt". Mit diesen Worten verabschiedete sich George Entwistle von dem modernen Sendehaus der BBC in der Londoner Innenstadt.

Der 50-jährige Chefredakteur der weltgrößten Rundfunkanstalt mit 23 000 Mitarbeitern war nach erst acht Wochen im Amt über einen Fehler seiner investigativen Reporter gestürzt, die zu Unrecht einen ehemals hochrangigen konservativen Politiker als Kinderschänder gebrandmarkt hatten. Es ist bereits der zweite große Skandal binnen zwei Monaten für die BBC, die generell ein hohes Ansehen genießt und von vielen Briten liebevoll "Beeb" oder "Auntie" (Tantchen) genannt wird.

In seiner schwersten Krise seit 90 Jahren sucht der nationale Sender nun fieberhaft nach einem Retter, der sein beschädigtes Image reparieren könnte. Der rasante Fall des Ex-Generaldirektors Entwistle begann am 3. Oktober mit einer Dokumentation des Konkurrenzkanals ITV1, die eine Ikone vom Sockel stürzte. Sir Jimmy Savile war in den 80er Jahren ein gefeierter Super-DJ und Moderator ("Top of the Pops"), der später wegen seiner Wohltätigkeit von der Queen und vom Papst Johannes Paul II. zum Ritter geschlagen wurde. In der ITV-Sendung beschuldigten jedoch mehrere Frauen die 2011 verstorbene Fernsehlegende, sie als Teenager sexuell missbraucht zu haben – teils sogar in BBC-Büros.

Bis heute haben sich etwa 300 angebliche Opfer von Savile bei der Polizei gemeldet, die im Zuge der Ermittlungen den Popstar Gary Glitter, den Komiker Freddie Starr und einen BBC-Producer festgenommen hat. Bereits nach 17 Tagen im neuen Job wurde George Entwistle mit der brisanten Frage konfrontiert, warum sein Sender im Herbst 2011 eine eigene Enthüllungsgeschichte über Savile vorbereitet hatte, nur um sie später ungesendet im Archiv verschwinden zu lassen. Es stellte sich heraus, dass der frisch ernannte BBC-Chef vom drohenden Skandal wohl gewusst hatte, jedoch nichts unternehmen wollte.

Seine Stellung wurde noch wackeliger, als die BBC am 2. November eine Sensation verkündete. Nach Informationen des Programms "Newsnight" hatte eine "ranghohe Person bei den Konservativen" in den 70er Jahren in einem walisischen Kinderheim einen 13-jährigen Jungen mehrfach vergewaltigt. Binnen Tagen kursierte im Internet der Name des Ex-Schatzmeisters der Partei unter Margaret Thatcher, Alistair McAlpine.

Offenbar unter dem Zwang, den guten Ruf des BBC-Journalismus nach dem Savile-Skandal wiederherzustellen, hatten die "Newsnight"-Mitarbeiter fatale Recherchefehler gemacht. So hatten sie bei Gesprächen mit dem angeblichen Opfer des heute 70-jährigen Lords nicht einmal ein Foto von McAlpine vorgelegt, um sicherzugehen, dass es tatsächlich um den Politiker ging. Das Opfer wurde bereits bei einer offiziellen Ermittlung 1997 als ein "unzuverlässiger Zeuge" kritisiert. Es hat mittlerweile seinen Irrtum zugegeben.

Am Samstagmorgen musste der BBC-Generaldirektor in einem peinlichen Live-Radiointerview zugeben, vor der Ausstrahlung der "Newsnight" nichts über die Vorwürfe gegen McAlpine gewusst zu haben. Damit wurde sein Ruf als inkompetenter Manager besiegelt.

(RP)
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