Wikileaks-Gründer will Auslieferung anfechten Zweifel an Assanges schwedischer Jägerin

Düsseldorf (RPO). Der Mann, der mit seinen Enthüllungen die Staatsführungen der Welt in Verlegenheit gebracht hat, sitzt in Haft. Schon bald könnte Julian Assange an Schweden ausgeliefert werden. Zurückzuführen ist das auf Marianne Ny, eine ehrgeizige Staatsanwältin aus Göteborg. Aber auch sie selbst steht in der Kritik. Assanges Anwalt bezeichnet Ny als "ungesicherte Schusswaffe."

Festnahme von Wikileaks-Gründer Julian Assange
6 Bilder

Festnahme von Wikileaks-Gründer Julian Assange

6 Bilder

Julian Assange sitzt hinter Gittern. Der britische Amtsrichter Howard Riddle weigerte sich am Dienstag, den 39-jährigen Australier gegen eine Kaution wieder freizulassen. Er sieht ein begründetes Risiko, dass Assange einen Fluchtversuch unternehmen könnte.

Den Wikileaks-Gründer hat die Festnahme offenbar völlig überrascht. Er soll fest damit gerechnet haben, dass sein Antrag auf Freilassung gegen Kaution angenommen wird. "Alles was er hat, ist der Anzug den er am Leib trägt", zitiert der britische Guardian einen Vertrauten aus den Reihen von Wikileaks. Er sei erschöpft, aber optimistisch.

Assange sperrt sich

Die schwedische Justiz verlangt Assanges Auslieferung. Er soll Mitte August in Stockholm zwei Mitarbeiterinnen von Wikileaks sexuell genötigt haben. Solange kein Widerspruch erhoben wird, ist ein solches Verfahren zwischen Großbritannien und Schweden keine große Sache. Schon in wenigen Tagen könnte Assange in Göteborg aussagen, wo ihn die Staatsanwaltschaft wegen Vergewaltigung verhören will.

Der Australier aber hat bereits angekündigt, eine Auslieferung nach europäischem Recht anfechten zu wollen. Ein monatelanger Verfahrensstreit könnte die Folge sein. Die nächste Verhandlung in London ist für Dienstag angesetzt. Der 39-Jährige will erneut versuchen, über eine Kautionszahlung freizukommen.

"Eine ungesicherte Schusswaffe"

Assange vermutet hinter all den Anschuldigungen aus Schweden ein Komplott der USA, die ihn mundtot machen wollten. Schon im vergangenen Jahr hatte er angedeutet, US-Geheimdienste könnten ihm eine Sex-Falle stellen. Zusammen mit seinen Anwälten stellt er daher auch die Glaubwürdigkeit der schwedischen Justiz in Frage. Folgt man Assange, ist das Verfahrens weniger eine Sache des schwedischen Rechts als eine Folge politischen Drucks aus dem Ausland.

Die Angriffe richten sich auch gegen die ermittelnde Staatsanwältin Marianne Ny. Diese sei wie eine "ungesicherte Schusswaffe auf dem wackligen Deck eines in stürmischer See befindlichen Schiffes", zitierten schwedische Medien den Anwalt des Australiers schon vor einigen Wochen.

Seltsamer Verfahrensverlauf

Nys Rolle gilt zudem als fragwürdig, weil die Staatsanwaltschaft einen ersten Haftbefehl gegen Assange aus dem August schon fallengelassen hatte. Die beiden mutmaßlichen Opfer waren zur Polizei gegangen, angeblich um Assange zu einem Aids-Test zu zwingen. Einen Tag später war die Angelegenheit zu den Akten gelegt. Im November wurde jedoch erneut Haftbefehl erlassen. Zwei Gründe sind dafür auszumachen: Zum einen hatte der Anwalt der Frauen eine Wiederaufnahme der Ermittlungen erwirkt, zum anderen gab es einen Personalwechsel. Marianne Ny zog den Fall an sich.

In Schweden gilt Marianne Ny als ambitionierte Staatsanwältin, die das nationale Recht zum Schutz vor Frauen bei Sexualdelikten besonders scharf auslegt. Die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtet etwa von einem Fall, in dem sich Ny für eine vorsorgliche Inhaftierung von beschuldigten Männern ausgesprochen haben soll. "Erst wenn der Mann gefangen genommen ist und die Frau in aller Ruhe Zeit bekommt, mit etwas Abstand auf ihr Dasein zu blicken, bekommt sie die Chance zu entdecken, wie sie behandelt wurde", soll sie ihre Position begründet haben..

Schweden ahndet Sexualdelikte besonders scharf

Man muss dazu wissen, dass in Schweden ein besonders scharfes Strafrecht gegen Sexualdelikte hat. Das Thema Gewalt gegen Frauen spielt auch in der öffentlichen Diskussion eine herausragende Rolle. In der Gesetzgebung gelten anders als im deutschen Recht auch sexuelle Nötigung und Belästigung als eine Form der Vergewaltigung. Bei einer Verurteilung in Schweden müsste Assange mit einer Haftstrafe von zwei bis sechs Jahren rechnen.

Obwohl in Schweden kaum jemand an Assanges Verschwörungstheorie glaubt, bleiben tatsächlich viele Fragen offen: Wie lässt sich die unterschiedliche Einschätzung der Staatsanwälte erklären? Wieso hat man Assange nicht noch während seines Aufenthalts in Schweden verhört? Warum hat die Polizei seine Ausreise nicht verhindert, obwohl sie wusste, wo er sich aufhielt?

Spielte auch Eifersucht eine Rolle?

Die zuständige Staatsanwältin Marianne Ny rechtfertigte den neuen Haftbefehl mit der Notwendigkeit, Assange zu den Vorwürfen der Frauen zu vernehmen. Unbestritten ist, dass der Wikileaks-Gründer mit beiden Frauen Sex gehabt hat. Während er von einvernehmlichen Sex sprach, behaupten die beiden Klägerinnen, dass er sie zu ungeschütztem Sex gezwungen habe. In schwedischen Medien wurde angedeutet, dass auch Eifersucht eine Rolle gespielt haben könnte: So sollen beide Frauen davon ausgegangen sein, die einzige Partnerin von Assange gewesen zu sein.

In den USA wurden unterdessen Ermittlungen wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit gegen Wikileaks aufgenommen. US-Verteidigungsminister Robert Gates begrüßte die Festnahme Assanges. "Das sind gute Nachrichten", sagte er am Rande eines Treffens mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai.
Die USA suchen derzeit nach einer rechtlich belastbaren Begründung, um Assange den Prozess machen zu können. Derzeit gibt es keine Handhabe gegen den Australier, den US-Konservative wie die Republikanerin Sarah Palin am liebsten jagen würden wie einen Terroristen.

Anklage über ein Gesetz von 1917

US-Justizminister Eric Holder denkt offen darüber nach, womöglich nach einem Gesetz gegen Spionage aus dem Jahr 1917 Klage gegen Assange zu erheben, wonach sich strafbar macht, wer geheime Informationen verbreitet.Wenn es Lücken in unseren Gesetzen gibt, werden wir sie schließen", sagt Holder und lässt den Rest im Vagen. Die Furcht von Assange, von Schweden möglicherweise in die USA ausgeliefert zu werden, ist laut Staatsanwältin Marianne Ny unbegründet: "Wir liefern ihn nicht aus."

(RP/AP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort