Der Attentäter von Norwegen Wer ist der Mann, der mehr als 90 Menschen tötete?

Oslo · Die norwegische Polizei hat am Freitagabend den mutmaßlichen Attentäter festgenommen. Ein 32-jähriger Mann aus Norwegen - ohne Migrationshintergrund. Ein Mann, der bisher eher unauffällig lebte und sogar einen Bio-Hof hatte. Allenfalls aus seinen Aktivitäten im Internet konnte man auf die Gesinnung des Attentäters schließen: rechtsradikal und islamfeindlich.

 Der mutmaßlicher Täter, Anders Behring Breivik.

Der mutmaßlicher Täter, Anders Behring Breivik.

Foto: SCANPIX SWEDEN, dpa

Anders Behring Breivik heißt der Mann, von dem die Polizei glaubt, dass er beide Anschläge verübt hat. Der Verdächtige habe Postings auf einer Webseite für christliche Fundamentalisten veröffentlicht, erklärte ein Polizeisprecher, ohne die Namen der Websites oder die Natur der Postings näher zu beschreiben. Norwegische Medien haben das recherchiert. Die Seite "dokument.no" wurde mittlerweile gesperrt - sie bildete ein Forum für Israelhasser, Islam- und Ausländerfeindlichkeit und christlichen Fundamentalismus.

Dort wehrt sich Anders Behring gegen die aus seiner Sicht lasche Vergabe der Staatsangehörigkeit für Menschen, die nicht gebürtige Norweger sind. Er zeigt sich als Nationalist, berichtet die größte norwegische Zeitung VG. Seine Botschaften einfach zusammengefasst: Norwegen den Norwegern. Und Hass auf die multikulturelle Gesellschaft. Bis Ende Oktober 2010 habe der Mann aktiv an dem Forum teilgenommen, danach wurden seine Beiträge spärlicher. Im Februar habe er direkt die norwegische Arbeiterpartei und deren Entscheidungen angegriffen.

Doch Anders Behring Breivik ist nicht der Einzelkämpfer, der nur über das Internet seine Meinung verbreiten wollte. Wie die rechtspopulistische Fortschrittspartei (FrP) mitteilte, war Berhing früher Mitglied der Partei und seiner Jugendbewegung. Der Tatverdächtige sei zwischen 1999 und 2006 FrP-Mitglied gewesen. Zwischen 2002 und 2004 habe er eine verantwortliche Stellung innerhalb der Jugendorganisation FpU innegehabt. Die frühere Mitgliedschaft des mutmaßlichen Täters mache sie "noch trauriger", erklärte Parteichefin Siv Jensen.

Laut der in Stockholm ansässigen Expo-Stiftung, die rechtsextreme Aktivitäten überwacht, war der festgenommene Norweger seit 2009 bei einem schwedischen Neonazi-Internetforum angemeldet. Auf dem Internet-Portal namens Nordisk ist demnach ein breites Rechtsaußen-Spektrum vertreten - von Abgeordneten der rechtspopulistischen Schwedendemokraten bis hin zu Neonazis.

Damit lässt sich nicht erklären, warum der Mann seine Gewalt gegen die Regierung und jugendliche Anhänger der Regierungpartei richtete. Der blinde Hass des Attentäters traf überwiegend Norweger.

Das Facebook-Profil des mutmaßlichen Täters wurde gesperrt, weil andere Nutzer es als bedenklich gemeldet hatten. Der Mann hat sich im sozialen Netzwerk als gebildet dargestellt: Er habe die Oslo Business School besucht und sei Direktor bei "Breivik Geofarm". Seine Lieblingsserie sei die US-Serie "Dexter". Dessen Hauptfigur ist ein Serienmörder, der als Profiler bei der Polizei arbeitet. Als Vorbilder nennt der 32-Jährige Winston Churchill und Max Manus, norwegischer Widerstandskämpfer gegen die deutsche Besatzung zwischen1940 und 1946.

Nachdem ein Facebook-Profil gesperrt wurde, hat Breivik wohl ein neues angelegt. Dort verzichtete er aber auf radikale Postings und stellte überwiegend Musikvideos ein - zuletzt von Audrey Gallagher, einer Sängerin aus Nordirland.

Dem Bericht zufolge soll er "World of Warcraft" gespielt haben, war Mitglied im "Oslo Gun Club" und wohl auch bei der Freimaurerloge. Die Berichte, wie Behring Breivik dem Umgang mit Waffen erlernte, sind widersprüchlich. Die Polizei hat jedoch bestätigt, dass er eine Lizenz für zwei Waffen besessen haben soll.

Es gibt zumindest einen Eintrag bei Twitter, der dem mutmaßlichen Täter zugeschrieben wird. Der klingt nicht nur philosophisch, sondern stammt vom britischen Philosophen und Ökonom John Stuart Mill: "Ein einziger Mann mit einem festen Glauben wiegt mehr als 100.000 andere, die nur Interessen haben." Mill wollte damit natürlich keine Gewalt legitimieren, sondern die Freiheit Andersdenkender schützen.

Noch in der Nacht zum Samstag wurde das Haus des 32-Jährigen durchsucht. Er lebt in einem kleinen Ort außerhalb von Oslo - in Skoyen. Auf Fotos erkennt man ein normales Backsteinhaus von einem Bauernhof, wie sie in Norwegen üblich sind. Nachbarn beschreiben ihn als wortkargen Einzelgänger. Lange Zeit lebte er gemeinsam mit seiner Mutter in Oslo.

Bisher sagt die Polizei, dass Anders Behring Breivik ein Einzeltäter gewesen sei. Er war der Polizei nicht bekannt. In einem Auto, dass ihm gehören soll, wurde weiterer Sprengstoff gefunden.

Wie kann ein Mann, so große Mengen an Sprengstoff herstellen, dass die Explosion ganze Gebäude zerstört und über mehrere hundert Meter Scheiben zu Bruch gehen? Spekulationen gehen in die Richtung, dass Behring Breivig als Landwirt sich den Zugang zu großen Mengen Kunstdünger zunutzen gemacht hat. Daraus kann man Sprengstoff herstellen. "Wir haben ihm Anfang Mai sechs Tonnen Dünger verkauft, sagte die Sprecherin einer landwirtschaftlichen Kooperative, Oddny Estenstad - schränkt aber ein: "Das stellt eine ziemliche Standard-Bestellung dar." Und die Umwandlung von Kunstdünger in Sprengstoff bedarf einiges an Fachwissen. Hier gibt es noch keine Erkenntnisse, wie der Fundamentalist zum Bombenbauer ausgebildet wurde. Die Polizei hat noch nichts dazu gesagt.

Woher stammen die großen Mengen Munition, damit er mehr als eine halbe Stunde auf Menschen schießen kann? Die Schüsse seien teilweise im Sekundentakt gekommen, berichten Augenzeugen. Er habe auf seine Opfer mindestens zweimal geschossen, wohl um sicher zu gehen, dass die Menschen tot waren.

Fachleute, die sich häufiger mit Amokläufen beschäftigt haben, wundern sich, dass der Attentäter sich nicht selbst getötet hat. Die Polizei teilte mit, Anders Behring Breivik sei kooperativ. "Er hat deutlich gemacht, dass er sich erklären will", sagte ein Polizeisprecher.

"Das ist ein Attentäter, der sich auf einer Ein-Mann-Mission sieht, als ein Krieger gegen ein unmenschliches System", sagte Jens Hoffmann, Leiter des Darmstädter Instituts Psychologie und Bedrohungsmanagement.

Der Attentäter hat dem Psychologen zufolge mit der Tat sein Ziel erreicht: "Solche Täter haben oftmals die Fantasie, etwas so Großes getan zu haben, das sie auch für gerecht halten, dass sie es als Heldentat ansehen."

Dass es sich dabei um einen blutigen Anschlag mit zahlreichen Toten und Verletzten handelt, der weltweit verurteilt wird, schmälere in den Augen des Attentäters den Erfolg keinesfalls, weil sie denken, manche Leute seien ihrer Zeit voraus.

(mit Material von Agenturen und skandinavischen Internetseite)
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