Missbrauchsprozess um Prinz Andrew Welche Möglichkeiten der Lieblingssohn der Queen jetzt noch hat

London · Bisher streitet Prinz Andrew alle Missbrauchsvorwürfe gegen ihn ab. Der Versuch eine Klage abzuweisen, ist aber gescheitert. Der Prozess könnte im Herbst stattfinden. Für einen Strategiewechsel gibt es kaum Alternativen für den Sohn der Queen.

 Prinz Andrew muss sich Missbrauchsvorwürfen stellen (Archivfoto).

Prinz Andrew muss sich Missbrauchsvorwürfen stellen (Archivfoto).

Foto: dpa/Neil Hall

Weiterkämpfen oder zahlen? Prinz Andrew, der zweitälteste Sohn der Queen, steht vor einer schwierigen Entscheidung. Er wird von der Amerikanerin Virginia Giuffre in einer Zivilklage vor einem New Yorker Gericht beschuldigt, sie vergewaltigt und sexuell missbraucht zu haben. Der Prinz bestreitet das und hatte versucht, die Klage abweisen zu lassen. Doch nachdem Richter Lewis Kaplan entschied, dass der Prozess im Herbst diesen Jahres stattfinden kann, muss sich Andrew jetzt über seine weitere Strategie Gedanken machen. Denn bisher ist es gar nicht gut gelaufen.

Wie die meisten Ziviklagen in den USA könnte auch Andrews Fall außergerichtlich beigelegt werden. Doch ein Vergleich würde teuer. War im Herbst noch die Rede von einem Schadensersatz in der Höhe von zwei Millionen Dollar, so wird mittlerweile von fünf oder gar zehn Millionen Dollar gesprochen, die der Prinz an Virginia Giuffre zahlen müsste, damit der Spuk vorbei ist. Dem notorisch klammen Royal, der kürzlich, um liquide zu sein, sein Ski-Chalet im schweizerischen Verbier verkaufen musste, dürfte Schwierigkeiten haben, solche Summen aufbringen zu können. Andererseits verspricht ein Weiterkämpfen nicht allzuviel Erfolgsaussichten

In ihrer Klage auf verschärften Schadenseratz hatte Giuffre den Prinzen der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung in drei Fällen beschuldigt. Die Ereignisse sollen stattgefunden haben, als sie noch 17 Jahre alt und damit nach amerikanischen Recht minderjährig war. Sie führte in der Klageschrift aus, dass sie von Jeffrey Epstein als Masseuse angestellt wurde und von ihm zu sexuellen Handlungen genötigt worden sei. Epstein war ein amerikanischer Investmentbanker, der 2008 wegen Missbrauchs einer Minderjährigen verurteilt worden war und sich vor einem zweiten einschlägigen Prozess im August 2019 in der Untersuchungshaft das Leben genommen hatte. Epstein habe sie, erklärte Giuffre, „an andere mächtige Männer für sexuelle Zwecke ausgeliehen“. Darunter eben auch an Prinz Andrew, den Herzog von York. Andrew habe, so die Klageschrift, „die Klägerin bei verschiedenen Gelegenheiten missbraucht als sie jünger als 18 Jahre alt war.“ Angeführt werden als Orte des Geschehens Epsteins Haus in Manhattan, seine Privatinsel in der Karibik und die Londoner Stadtvilla von Ghislaine Maxwell, eine gemeinsame Freundin von Epstein und Andrew.

Die Antwort des Prinzen auf diese Vorwürfe sind zum einen ein rigoroses Abstreiten, zum anderen ein Angriff auf den Charakter von Giuffre. Seine Anwälte haben in einer Antwort auf Giuffres Klageschrift die Amerikanerin beschuldigt, nur auf Geld aus zu sein. Sie habe in der Vergangenheit wiederholt reiche Männer mit einschlägigen Missbrauchsvorwürfen konfrontiert und dann in Vergleichen abkassiert. „Die meisten Menschen können nur davon träumen, die Geldsummen zu erhalten, die Giuffre im Laufe der Jahre für sich gesichert hat“, argumentierte der Anwalt des Prinzen, Andrew Brettler: „Dies stellt ein zwingendes Motiv für Giuffre dar, weiterhin leichtfertige Klagen gegen Personen wie Prinz Andrew einzureichen.“

Brettler ging noch weiter. Er stellte Virginia Giuffre als Mädchenhändlerin hin. Sie soll, so der Anwalt in seinem Antrag auf Zurückweisung der Klage, dem Milliardär Jeffrey Epstein geholfen haben, Opfer zu finden: „Die einzige Partei in dieser Klage, deren Verhalten die vorsätzliche Rekrutierung und den Handel mit jungen Mädchen für Sex einschließt, ist Giuffre selbst“. Man hat Chrystal Figueroa, die Schwester eines Ex-Freundes von Giuffre, als Zeugin gegen sie bemüht. Figueroa behauptet, dass Giuffre sie gebeten habe, minderjährige Mädchen für Epstein zu finden. Sie wird mit den Worten zitiert. „Giuffre sagte zu mir: ‚Kennst du irgendwelche Girls, die irgendwie nuttig (slutty) sind?“

 Die Strategie der Vorwärtsverteidigung soll weitergehen. Wie aus Gerichtsakten hervorgeht, wollen Andrews Anwälte als Zeugen den Ehemann der Klägerin Robert Giuffre sowie ihre Psychotherapeutin Judith Lightfoot befragen. Man verlangt die Herausgabe von medizinischen Unterlagen und von Aufzeichnungen der Therapeutin. Wie Andrews Anwältin Melissa Lerner ausführte, will man von Lightfoot erfahren, ob Giuffre womöglich unter „falschen Erinnerungen“ leide. Auch ihr Ehemann soll über „angebliche emotionale und psychologische Schäden“ seiner Frau befragt werden. All das sind Versuche, die Glaubwürdigkeit von Giuffre zu erschüttern.

Doch will Prinz Andrew es wirklich riskieren, vor einem New Yorker Geschworenengericht mit dieser Strategie des Rufmords aufzutreten? Bei Hofe graut es vielen vor dieser Aussicht. Nicht nur ist ein Erfolg des Prinzen fraglich. Vor allem würde, wenn es zu einem Prozess käme, jede Menge schmutzige Wäsche und das in aller Öffentlichkeit gewaschen werden. Gerade in einem Jahr, in der die Queen ihr Platin-Jubiläum von 70 Jahren Regentschaft feiert, würde der Monarchie ein kaum zu reparierender Reputationsverlust drohen. Da scheint es doch weiser für Prinz Andrew, statt weiterzukämpfen seiner Klägerin finanziell entgegen zu kommen.

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