Rätselhafter Vierfachmord von Annecy Was weiß das kleine Mädchen?
Paris · Französische und britische Ermittler haben am Wochenende fieberhaft nach einer heißen Spur im Fall des vierfachen Mords in den französischen Alpen gesucht. Die Ermittlungen drohen sich in die Länge zu ziehen. Die Ermittler hoffen auf die Aussagen der siebenjährige Tochter.
Gemeinsam durchsuchten die Beamten das Haus des ermordeten britisch-irakischen Ehepaars bei London. Die Hoffnung auf einen entscheidenden Hinweis konzentrierten sich aber zunächst auf die siebenjährige Tochter, die schwerverletzt überlebte und am Wochenende aus dem Heilkoma erwachte, in das die Ärzte sie nach dem Verbrechen am Mittwoch versetzt hatten. Das teilte der Staatsanwalt von Annecy, Eric Maillaud, mit.
Maillaud schrieb aber auch in einer Mitteilung, dass die Siebenjährige noch nicht befragt werden konnte, weil sie unter starkem Medikamenteneinfluss stehe. Ihre vierjährige Schwester, die unverletzt überlebte, sei am Sonntag von Verwandten heim nach Großbritannien geholt worden.
Die Ermittlungen konzentrierten sich zunächst auf einen finanziellen Streit zwischen dem ermordeten Mann und dessen Bruder. Der wies diese Verdächtigungen zurück. Neben dem Ehepaar waren noch zwei weitere Erwachsene mit jeweils zwei Kopfschüssen getötet worden. Die Polizei suchte nach zwei Passanten, die mit Fahrrädern an dem Auto vorbeigekommen sein sollen, in dem die Ermordeten lagen.
Staatsanwaltschaft rechnet mit langen Ermittlungen
Das am Mittwoch getötete britisch-irakische Ehepaar hatte mit seinen zwei Kindern Urlaub in der Nähe von Annecy in den französischen Alpen gemacht. Die vierjährige Tochter versteckte sich im Auto der Familie unter dem Rock der Mutter und überlebte, ihre drei Jahre ältere Schwester wurde auf brutale Weise verletzt.
Bei einem weiteren Opfer soll es sich Medienberichten zufolge um die Großmutter handeln. Dies wurde von den Behörden bislang aber nicht bestätigt. Das vierte Opfer war ein 45-jähriger französischer Radfahrer, der offenbar zufällig am Tatort vorbeikam.
Die Autopsie ergab, dass allen Mordopfern zwei Mal in den Kopf geschossen wurde, wie Maillaud am Samstag mitteilte. Zwei der Toten seien als Saad al H. und seine Frau Ikbal identifiziert worden. Die Identifizierung der Leichen beruhe in Teilen auf der Aussage der vierjährigen Tochter des Ehepaars.
Die Staatsanwaltschaft rechnet mit langen und komplexen Ermittlungen in dem Mordfall, bei dem rund 25 Schüsse abgegeben worden sein sollen. Die Ermittler werden von den britischen Behörden unterstützt.
Möglicher Erbschaftsstreit in Brief angedeutet
Eine Freundin der Brüder aus Kindheitstagen, Mae Faisal El-Wailly, beschrieb die Familie als wohlhabend. Der Vater der Brüder sei vor kurzem gestorben, sagte sie. In einem Brief, den ihr der getötete Familienvater im vergangenen Jahr geschrieben haben soll, finden sich Andeutungen auf einen möglichen Erbschaftsstreit.
So heißt es in dem von Saad al H. im September vergangenen Jahres geschriebenen Brief, dass sein Bruder "ein Kontrollfreak ist, und hinterlistige Dinge versucht hat, selbst als mein Vater noch lebte".
Und weiter heißt es: "Er hat versucht die Kontrolle über das Vermögen von Vater zu erlangen." Aus öffentlichen Unterlagen geht hervor, dass der Bruder vergangenes Jahr aus dem Unternehmen des Getöteten ausschied. El-Wailly sagte, sie glaube aber nicht, dass der Bruder des Opfers etwas mit dem Verbrechen in den Alpen zu tun habe. Auch Maillaud sagte, er habe nichts über eine mögliche Erbschaftsangelegenheit gehört.