Selbstjustiz des Opfer-Vaters nach 27 Jahren Verschleppter deutscher Arzt bleibt in Haft

Paris (RPO). Der nach Frankreich verschleppte deutsche Kardiologe Dieter K. muss weiter im Gefängnis bleiben. Das beschloss das Pariser Berufungsgericht am Dienstag. Der Arzt war in Frankreich 1995 in Abwesenheit wegen Totschlags der 14-jährigen Kalinka zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.

 Kalinka K. wurde tot in ihrem Bett gefunden.

Kalinka K. wurde tot in ihrem Bett gefunden.

Foto: FILES, AFP

Das Mädchen war 1982 im Haus K.s bei Kempten gestorben. Die deutschen Behörden stellten jedoch alle Ermittlungen gegen den Arzt aus Mangel an Beweisen ein und lehnten eine Auslieferung nach Frankreich stets ab.

Kalinkas Vater André Bamberski ließ K. daher Ende Oktober in einem Akt von Selbstjustiz nach Frankreich entführen. Der 74-jährige Arzt wurde von osteuropäischen Handlangern ins ostfranzösische Mühlhausen verschleppt und dort gefesselt und verletzt vor ein Justizgebäude gelegt. Tatsächlich wurde er inhaftiert, nachdem ihn die Polizei gefunden hatte.

Bamberski verdächtigt den Arzt, vor 27 Jahren seine Tochter missbraucht und getötet zu haben. Er zeigte sich erfreut über die Entscheidung vom Dienstag. "Ich bin zufrieden und jetzt auch entspannter, weil ich bis zur letzten Minute skeptisch war", sagte der 72-Jährige Reportern im Gerichtsgebäude. "Es ist die Bestätigung dessen, was das Gesetz vorsieht." Bamberski war wegen der Entführung am 21. Oktober kurz in Untersuchungshaft gekommen, dann aber unter Auflagen wieder freigelassen worden.

Bamberskis Anwalt Laurent De Caunes wies Kritik an dem Verfahren zurück. "Nach Meinung der Anwälte von Herrn Doktor K. hat sich ihr Mandant bereits in Deutschland verantwortet und Herr Bamberski hat einen Putsch gegen den deutschen Staat durchgeführt." Ihnen sei es hingegen nur um die Frage gegangen, ob K. freigelassen werden dürfe, erklärte De Caunes. Der juristische Beistand von K., François Serres, sagte hingegen, hier werde jemand eingesperrt, noch bevor er sich richtig verteidigen könne.

Staatsanwaltschaft Kempten ermittelt gegen Bamberski

Die Verschleppung K.'s aus Kempten und die Reaktion der französischen Justiz darauf hatte in Deutschland für große Empörung gesorgt. Die bayerische Justizministerin Beate Merk erteilte Selbstjustiz Ende Oktober eine klare Absage und kündigte an, die Entführung werde mit aller Konsequenz verfolgt.

"Es ist inakzeptabel, wenn einzelne sich selbst zum Richter und auch gleich zum Vollstrecker aufschwingen, wenn sie mit staatlichen Entscheidungen nicht einverstanden sind", sagte die CSU-Politikerin. "Das hat mit Gerechtigkeit nichts zu tun." Die Staatsanwaltschaft Kempten ermittelt wegen der Entführung nun sowohl gegen Bamberski als auch gegen weitere Mittäter.

Kalinka Bamberski war 1982 tot in K.'s Haus aufgefunden worden. Der Arzt lebte damals mit Kalinkas Mutter zusammen, die sich von André Bamberski getrennt hatte. Das Pariser Schwurgericht sah es 1995 als erwiesen an, dass der Kardiologe Kalinka in seinem Haus missbrauchte und ihr eine Betäubungsspritze gab, die zum Tode führte. Die deutsche Justiz sah aber keine hinreichenden Beweise für eine Strafverfolgung K.'s. Zuletzt lebte der Arzt alleinstehend im Landkreis Lindau, wo er am 17. Oktober entführt wurde.

(AP/top)
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