"Vatileaks" Vernehmung von Paolo Gabriele hat begonnen

Vatikanstadt · Knapp zwei Wochen nach der Verhaftung des päpstlichen Kammerdieners hat im Vatikan seine Vernehmung durch den Untersuchungsrichter begonnen. Dieser muss nun prüfen, ob der Verdacht auf "schweren Diebstahl" hinreichend begründet ist. Erst dann ist der Weg für einen Prozess vor dem vatikanischen Tribunal frei.

Die wichtigsten Figuren im Vatileaks-Skandal
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Ein Anwalt des Beschuldigten hatte schon vor einer Woche mitgeteilt, dass sein Mandant zu einer umfassenden Zusammenarbeit mit der vatikanischen Justiz bereit sei. Dem 46 Jahre alten italienischen Vatikanbürger Paolo Gabriele wird vorgeworfen, vertrauliche Dokumente aus dem päpstlichen Appartement entwendet zu haben. Die vatikanische Gendarmerie hatte in seiner Wohnung belastendes Material sichergestellt.

Sollte sich der Verdacht auf "schweren Diebstahl" erhärten, droht dem Kammerdiener nach vatikanischem Recht eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Jahren. Die Rechtsgrundlage des Prozesses bildet das vatikanische Straf- und Strafprozessrecht. Abgesehen von wenigen Änderungen entspricht es dem italienischen Recht, das im Jahr 1929 galt, als die Lateran-Verträge zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich Italien abgeschlossen wurden.

Etwaige Gerichtsverhandlungen wären im Gegensatz zur gegenwärtig stattfindenden Vernehmung durch den Untersuchungsrichter öffentlich. Allerdings dürfte der an der Piazza Santa Marta unweit der vatikanischen Tankstelle gelegene Gerichtssaal kaum allen Journalisten und sonstigen Interessierten Platz bieten. Gabriele würde in dem Verfahren vor drei Richtern stehen. Diese sind allesamt renommierte Jura-Professoren italienischer Universitäten. Die mögliche Dauer eines solchen Prozesses lässt sich bisher noch nicht absehen.

Die große Frage lautet: Was wäre, wenn sich im Verlauf der Ermittlungen Mutmaßungen bestätigen würden, dass Paolo Gabriele kein Einzeltäter war? Konkret: wenn Bischöfe, Erzbischöfe oder gar Kardinäle unter dringenden Tatverdacht gerieten? Grundsätzlich mache das vatikanische Straf- und Strafprozessrecht keinen Unterschied zwischen Klerikern und Laien, erläuterte der vatikanische Richter und römische Jura-Professor Paolo Papanti Pelletier am Dienstag vor Journalisten im Vatikan.

Die einzige Ausnahme: die Kardinäle. Die höchsten kirchlichen Würdenträger nach dem Papst können nur von Personen gleichen Ranges gerichtet werden. Das heißt: Ein Prozess gegen einen Kardinal könnte nur vor der dritten und höchsten Instanz der vatikanischen Justiz, dem vatikanischen Kassationsgericht, stattfinden. Dieses besteht aus drei Kardinälen.

Unterdessen sitzt Paolo Gabriele in der Kaserne der vatikanischen Gendarmerie weiter in Untersuchungshaft. Die Einrichtung der etwa 16 Quadratmeter großen Zelle ist eher spartanisch: Bett, Tisch und ein Kruzifix. Auf einen Fernseher muss der Kammerdiener verzichten, ein eigenes Bad ist vorhanden. Die Haftbedingungen seien "sehr würdevoll", sagte Papanti-Pelletier. Seine Begründung klingt sehr italienisch: Der Inhaftierte bekomme schließlich die gleiche Pasta wie die Gendarmen.

Auch für das geistliche Wohl des Inhaftierten ist gesorgt: Am Sonntag hat der Kammerdiener eine Messe im Vatikan besucht, in Begleitung von zwei Gendarmen, jedoch ohne Handschellen. Wie lange er noch in Untersuchungshaft sitzen wird, ist bislang nicht absehbar. Nach vatikanischem Recht darf die Untersuchungshaft jedoch höchstens 100 Tag dauern.

Sollte Gabriele am Ende eines Prozesses zu einer Haftstrafe verurteilt werden, müsste er allerdings umziehen: Über ein richtiges Gefängnis verfügt der Vatikanstaat nicht. Die Lateran-Verträge sehen für solche Fälle die Möglichkeit einer Inhaftierung in italienischen Haftanstalten vor.

Und welche Rolle spielt der Papst selbst? Er könnte theoretisch jederzeit in das Verfahren gegen seinen Kammerdiener eingreifen, sagte der vatikanische Jura-Professor. Benedikt XVI. könnte ihn etwa begnadigen. Üblicherweise fällt ein Staatoberhaupt eine solche Entscheidung nach Aussage des vatikanischen Richters jedoch erst am Ende eines Prozesses.

(KNA)
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