"Rote Linie" überschritten? USA: Syrien setzte offenbar Chemiewaffen ein

Abu Dhabi · Das syrische Regime hat Chemiewaffen eingesetzt: Im Kampf gegen die Opposition sei es zu zwei Angriffen mit chemischen Waffen gekommen, sagte US-Außenminister John Kerry.

Zuvor hatte bereits Verteidigungsminister Chuck Hagel erklärt, die syrischen Streitkräfte hätten chemische Waffen in geringen Mengen benutzt. Die USA haben in der Vergangenheit den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien als "rote Linie" bezeichnet, nach deren Überschreiten ein internationaler militärischer Eingriff in den dortigen Bürgerkrieg möglich würde.

Das Weiße Haus habe mehrere Mitglieder des US-Kongresses schriftlich darüber informiert, dass die Geheimdienste "mit unterschiedlichem Grad der Zuverlässigkeit" vom Einsatz von Chemiewaffen "in geringem Maße" ausgingen, erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Caitlin Hayden, in Washington.

Es sei aber nicht absolut sicher, dass Machthaber Baschar al-Assad tatsächlich Gift gegen die Rebellen eingesetzt habe. Auch sei nicht klar, unter welchen Bedingungen dies geschehen sein könnte. "Wir glauben, dass jeder Einsatz von Chemiewaffen in Syrien wahrscheinlich vom Assad-Regime ausging", heißt es zwar in dem Brief aus dem Weißen Haus. Ein Regierungsbeamter betonte aber, es müssten zunächst eindeutige Beweise dafür vorliegen. "Da die Situation sehr ernst ist, reichen Geheimdiensteinschätzungen allein nicht aus", sagte er.

Vermutlich Sarin-Gas eingesetzt

Hagel hatte noch wenige Stunden zuvor Zweifel geäußert, ob sich israelische Geheimdienstangaben über einen Einsatz von Chemiewaffen durch die Truppen von Syriens Präsident Baschar al-Assad beweisen lassen werden. "Verdacht ist eine Sache, Beweise sind etwas anderes", sagte Hagel in Kairo.

Die Frage eines möglichen Einsatzes von Chemiewaffen sei eine "ernste Angelegenheit". Die Hinweise müssten daher sorgfältig geprüft werden, betonte Hagel in Kairo. Seinen Angaben nach wurde er während seines dreitägigen Besuchs in Israel Anfang der Woche nicht über Informationen zu einem Chemiewaffeneinsatz in Syrien in Kenntnis gesetzt.

Der israelische Militärgeheimdienst hatte am Dienstag mit Angaben für Aufsehen gesorgt, die syrischen Regierungstruppen hätten in den vergangenen Monaten wiederholt Chemiewaffen, vermutlich Sarin-Gas, gegen die Rebellen eingesetzt.

Auch die britische Regierung hat nach eigenen Angaben "begrenzte aber überzeugende Informationen", dass in Syrien chemische Waffe zum Einsatz gekommen seien. Bereits am Dienstag hatte die israelische Armee von Beweisen für eine Verwendung solcher Stoffe durch die Regierungstruppen gesprochen.

"Rote Linie" überschritten?

Der US-Beamte verwies auf frühere Erfahrungen mit Geheimdienstinfos, ohne ausdrücklich die Fehleinschätzung über Massenvernichtungswaffen vor dem Irakkrieg zu nennen. Präsident Barack Obama hatte dem syrischen Präsidenten Assad mit weitreichenden Konsequenzen im Falle eines Chemiewaffeneinsatzes gedroht. Die "rote Linie" gelte auch, wenn das Gift an Terroristen weitergereicht werde, sagte der Regierungsbeamte. Das Weiße Haus wolle, dass die Vereinten Nationen eine umfassende Überprüfung der Hinweise durchführen.

Sobald ein definitiver Beweis für den Chemiewaffeneinsatz vorliege, würden die USA mit ihren Alliierten über Konsequenzen beraten. "Alle Optionen liegen auf dem Tisch", sagte der Beamte. Es gebe weitere Maßnahmen über die derzeitigen diplomatischen und humanitären Mittel hinaus. Experten gehen davon aus, dass die USA ähnlich wie zuletzt in Libyen auf einen gemeinsamen, internationalen Militäreinsatz setzen würden. Dafür müsse aber der Widerstand von Russland und China überwunden werden.

Mehrere US-Senatoren beider Parteien sagten, dass die "rote Linie" nun überschritten sei und Obama handeln müsse. Der Republikaner John McCain forderte eine Flugverbotszone über Syrien. Die Demokratin Dianne Feinstein befürchtet nach eigenen Angaben, dass Assad am Ende sei und daher nun nach dem Äußersten greife.

(AFP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort