Nachfolger von Guantanamo USA sollen Terroristen auf Kriegsschiffen verhören

Düsseldorf · Nach Guantanamo Bay oder in Geheimgefängnisse der CIA schicken die USA mutmaßliche Terroristen schon seit längerem nicht mehr. Verdächtige werden vermehrt auf US-Marineschiffen verhört – und zwar so lange wie möglich. Damit hält sich die Regierung von Präsident Barack Obama die Option offen, Betroffene vor ein Zivilgericht zu stellen.

Guantanamo-Ersatz in Illinois
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Nach Guantanamo Bay oder in Geheimgefängnisse der CIA schicken die USA mutmaßliche Terroristen schon seit längerem nicht mehr. Verdächtige werden vermehrt auf US-Marineschiffen verhört — und zwar so lange wie möglich. Damit hält sich die Regierung von Präsident Barack Obama die Option offen, Betroffene vor ein Zivilgericht zu stellen.

Verdeutlicht wird die neue Strategie durch die Militäraktion von Elitesoldaten in Libyen, bei der am Samstag einer der am meisten gesuchten Terrorverdächtigen des FBI ins Netz ging: Abu Anas al-Libi. Er soll an den Bombenanschlägen auf US-Botschaften in Kenia und Tansania 1998 beteiligt gewesen sein. Derzeit wird er an Bord der USS San Antonio festgehalten, jenem Amphibien-Kriegsschiff, das sich im Mittelmeer für den nun abgeblasenen Militärschlag gegen Syrien vorbereitete.

Auf dem Schiff trafen inzwischen ein Ermittlerteam von Armee, Geheimdiensten und dem Justizministerium ein, um den Libyer zu verhören, wie zwei mit der Sache betraute Sicherheitsbeamte der Nachrichtenagentur AP sagten. Festgehalten wird Al-Libi demnach unter Berufung auf das US-Kriegsgesetz, wonach ein Mensch auf unbestimmte Zeit als feindlich gesinnter Kämpfer gefangen und in Gewahrsam genommen werden kann.

Bis Montag wurden dem Mann allerdings nicht seine Rechte vorgelesen, die ihm unter anderem eine Nichtaussage und ein Gespräch mit seinem Anwalt garantieren. Ebenso unklar ist, wann Al-Libi für ein Strafverfahren in die USA gebracht wird. Zum weiteren Vorgehen in dem Fall wollte sich das Weiße Haus nicht äußern.

Obamas Antwort auf Anti-Terror-Methoden

Das Verhör mutmaßlicher Terroristen auf US-Marineschiffen ist offenbar Präsident Barack Obamas Antwort auf die Anti-Terror-Methoden unter seinem Vorgänger George W. Bush, die Obama vor Jahren als Kandidat noch scharf angeprangert hatte. Damals ließ die CIA über lange Zeiträume Verdächtige in Geheimgefängnissen verschwinden, wo diese harschen Verhörmethoden ausgesetzt wurden. Zugang zu einem Anwalt bekamen sie nicht.

Als Obama sein Amt als Präsident antrat, hatte er keine echte Alternative dazu parat. So wurden Bedenken laut, dass geheimdienstliche Erkenntnisse verloren gehen könnten, wenn Verdächtige direkt vor Gericht gestellt würden. Nun wollte Obama aber keine weiteren Menschen ins Gefangenenlager Guantanamo Bay schicken, die Geheimgefängnisse der CIA wurden geschlossen. Irgendwann kamen dann die Marineschiffe ins Spiel.

Das stößt vor allem Bürgerrechtlern sauer auf. Da werde offenbar der Versuch unternommen, die Machtbefugnis des Kriegsrechts anzuwenden, um die Einschränkung und Absicherung durch das Justizsystem zu umgehen, sagte die Anwältin Hina Shamsi von der Amerikanischen Bürgerrechtsunion. "Wenn sich die Regierung dieses Muster zu eigen macht, bin ich sehr beunruhigt".

Erstmals öffentlich wurde die Verhörtaktik auf Marineschiffen 2011 mit der Festnahme von Ahmed Abdulkadir Warsame, einem Somalier, der nach US-Angaben militante Extremisten mit Verbindungen zur Al-Kaida unterstützt und trainiert haben soll. Zwei Monate lang wurde er auf einem US-Kriegsschiff verhört, bevor er sich vor einem New Yorker Gericht wegen Terrorismusvorwürfen verantworten musste.

Doch der Fall geriet zunächst zum Drahtseilakt: Im Verhör hatte Warsame nach Angaben von Ermittlern wichtige Informationen über die Al-Kaida im Jemen und deren Verbindungen zur Al-Shabaab-Miliz in Somalia preisgegeben. Weil diese Sitzungen jedoch stattfanden, bevor Warsame seine Rechte vorgelesen bekam, konnten dessen Äußerungen nicht vor Gericht verwendet werden. Daraufhin schaltete sich das FBI ein, klärte Warsame über seine Rechte auf und befragte ihn so, dass seine Aussagen auch in ein Zivilverfahren einfließen konnten. Anfang des Jahres bekannte sich Warsame schuldig und erklärte sich bereit, über terroristische Bedrohungen auszupacken.

Allerdings unterscheidet sich der Fall Warsame von der jüngsten Causa Al-Libi in einem wichtigen Punkt. Der Libyer wurde bereits formal wegen der "visuellen und fotografischen Überwachung" der US-Botschaft in Nairobi angeklagt, die 1998 zum Anschlagsziel wurde. Gegen Warsame wurde nach dem Verhör auf dem Marineschiff Anklage erhoben.

Dass Al-Libi nun nicht wie in der Ära Bush üblich klammheimlich festgehalten würde, sei zwar eine gute Sache, sagt Anwältin Shamsi. Doch müsse Al-Libi rechtlichen Beistand und ein rasches Gerichtsverfahren gewährt werden. Allerdings hat die Regierung klargemacht, dass sie Gefangene auf einem Schiff festhalten könne - und zwar so lange wie nötig.

(ap)
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