Charleston USA rätseln über Hintermänner des Attentäters

Washington · Das Foto auf Dylann Roofs Facebook-Seite zeigt einen grimmig dreinblickenden jungen Mann. Auf der schwarzen Jacke trägt er Miniaturen zweier historischer Fahnen, wie sie weiße Überlegenheitsfanatiker gern als Symbole verwenden. Die eine wehte über dem Südafrika der Apartheid, die andere über dem alten Rhodesien, als dort noch der Rassendünkel herrschte.

Kein Zweifel, Dylann Roof wurde von blindem Hass auf Menschen anderer Hautfarbe getrieben, als er am Ende einer Bibelstunde neun schwarze Amerikaner in Charleston hinrichtete.

Als Erstes, so schildern es Augenzeugen, die sich tot stellten, um zu überleben, habe er seine Waffe auf die Älteste in der Runde gerichtet, auf Susie Jackson (87). Als deren Neffe Tywanza Sanders (26) ihn bat, die Frau zu verschonen und stattdessen auf ihn anzulegen, habe der Attentäter kaltblütig erwidert: "Das spielt keine Rolle, ich werde euch alle erschießen."

Ein schüchterner Junge, die Eltern geschieden, nach der neunten Klasse von der Schule abgegangen: Roof galt als Einzelgänger, der mit sich und der Welt haderte. Auf dem Nummernschild seines Autos prangte die Konföderiertenflagge, ein blaues Diagonalkreuz auf rotem Grund, für manchen weißen Südstaatler ein Symbol heldenmütigen Widerstands im Bürgerkrieg gegen die verhassten Yankees, für Afroamerikaner eine Chiffre des Rassenhasses. Bei der Polizei gab er einmal zu Protokoll, sein zweiter Vorname sei Storm. Noch so ein Indiz, das auf die Nähe zur rechtsradikalen Szene in den USA mit ihrem Kult um das Wort "Sturm" schließen lässt.

Nur gibt das alles noch keine Antwort auf die Frage, die James Clyburn stellt, ein schwarzer Kongressabgeordneter aus South Carolina: "Warum hat er ausgerechnet diese historische Kirche gewählt? Ist er Teil eines Netzwerks, einer größeren Verschwörung?" Die Emanuel African Methodist Episcopal Church ist mehr als eine Kirche. Sie ist ein Symbol des Kampfes um die Bürgerrechte der Afroamerikaner. Clyburn will wissen, ob es Drahtzieher gab, Einflüsterer, die Roof beispielsweise erklärt haben könnten, welche Gefühle sich weit über Charleston hinaus mit der Kirche verbinden. Die These vom allein handelnden "einsamen Wolf" ist ihm zu simpel, zumal sie ausblendet, was es an ideologischen Netzwerken gibt.

Das Southern Poverty Law Center, eine Bürgerrechtsinitiative in Alabama, dokumentiert einen alarmierenden Trend. Seit fünf Jahren zeigt die Kurve bei rassistisch motivierten Angriffen wieder nach oben, im Schnitt wird in den USA alle fünf Wochen eine derartige Attacke registriert. "Der inländische Terrorismus ist außer Kontrolle geraten", warnt Heidi Beirich, eine Expertin des Zentrums.

Wenn es eine Stimme in den USA gibt, die genau auf den Punkt bringt, was derzeit schief läuft, dann ist es die von Satiriker Jon Stewart in seiner "Daily Show" im Fernsehen: "Einmal mehr starren wir auf diese klaffende Wunde des Rassismus, die einfach nicht heilen will - und tun dennoch so, als existiere sie nicht."

Hier das Video mit Stewarts komplettem Statement.

(RP)
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