"Foto des Jahres" von Unicef Urlaub vom eigenen Gewissen

Berlin · Die Fotografen Insa Hagemann und Stefan Finger sind Sieger des Wettbewerbs "Unicef-Foto des Jahres". Geehrt wurden sie für eine Reportage, die das verzweifelte Leben von Kindern ausländischer Sextouristen auf den Philippinen zeigt.

Das sind die Unicef-Fotos des Jahres
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Das sind die Unicef-Fotos des Jahres 2014

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Divine ist ein Jahr alt. In einer deutschen Kita würde das Mädchen nicht weiter auffallen. Rotblonde Haare, helle Haut, blaue Augen. In ihrer Heimatstadt aber ist Divine schon als Kleinkind gebranntmarkt und wird es wohl bis an ihr Lebensende bleiben. Sie ist das Kind einer Prostituierten, glauben die anderen Kinder und meiden sie. Das glauben auch deren Eltern und jeder, dem Divine in der philippinischen Stadt Angeles City jemals begegnen wird. In der Gesellschaft wird Divine wegen ihres Aussehens kaum Fuß fassen oder aus der Armut entfliehen können — im Alter von nur einem Jahr ist ihr Leidensweg bereits zementiert.

So wie Divine ergeht es Tausenden Kindern auf den Philippinen, die von ausländischen Sextouristen gezeugt wurden. Ihre zumeist europäischen, amerikanischen oder australischen Väter sind längst wieder abgereist, um die Kinder kümmern sie sich nicht.

Vier Wochen auf den Philippinen

Das haben die beiden deutschen Fotografen Insa Hagemann und Stefan Finger beobachtet. Sie lebten im vergangenen Frühjahr für insgesamt vier Wochen auf den Philippinen, um das Schicksal von Kindern wie Divine zu dokumentieren. Dafür sind sie jetzt mit dem ersten Platz im international bedeutenden Wettbewerb "Unicef-Foto des Jahres" ausgezeichnet worden.

Die Sieger-Aufnahme, die wir auf der Titelseite unserer Zeitung abgebildet haben, zeigt die kleine Divine im Abseits eines Hausflurs stehen. Ihre Altersgenossen, die nicht anders als die meisten Philippinos aussehen, lachen und spielen unter sich — Ausgrenzung in einem Foto.

Riesige Sex-Industrie

Das Leid von Kindern wie Divine ist Ergebnis einer riesigen Sex-Industrie. In dubiosen Dating-Portalen im Internet lernen die männlichen Sextouristen schon vor der Anreise philippinische Frauen kennen, die häufig zur sexuellen Ausbeutung gezwungen werden. So war es auch mit Divines Eltern. Ihre Mutter Linalyn verbrachte mit einem Australier drei Wochen in einem Hotel. Daher weiß sie, dass der Australier Divines Vater sein muss. Doch wie die meisten bleibt auch Linalyn mit dem ungewollten Kind zurück. Um für den Lebensunterhalt aufzukommen, müssen die Mütter dann erst recht in einschlägigen Bars arbeiten und sehen sich weiter gezwungen, ihre Körper für wenig Geld an westliche Männer zu verkaufen.

Der Fotograf Stefan Finger, 31 Jahre alt, stieß vor zwei Jahren auf das Schicksal der philippinischen Frauen und Kinder. Damals begegnete er dort einem katholischen Pfarrer, der Kondome an Prostituierte verteilte. "Das irritierte und faszinierte mich", sagt Finger, "und bei der Frage nach dem Warum entstand die Idee für die Reportage. Finger arbeitete schon für unsere Redaktion in Kempen.

Laudatio von "Tatort"-Kommissar

Beim Fotografie-Studium an der dafür renommierten Fachhochschule Hannover lernte er Insa Hagemann, ebenfalls 31 Jahre alt, kennen. Sie entschlossen sich, das Fotoprojekt gemeinsam zu realisieren. Bei der Preisverleihung in Berlin hielt Dietmar Bär, bekannt als Kölner "Tatort"-Kommissar, die Laudatio auf das Fotografen-Duo. Gemeinsam mit seinem Kollegen Klaus J. Behrendt engagiert er sich für die Hilfsorganisation Preda, die Opfer von sexueller Gewalt und Sextourismus aufnimmt.

In Angeles City fotografierten Insa Hagemann und Stefan Finger auch den achtjährigen James. Wie Divine wird er als Sohn eines amerikanischen Sextouristen gemieden. Seine Mutter schneidet ihm die krausen Locken extrem kurz, damit sie nicht auffallen. Spielen darf James nur in der Garage. Auf der Straße sei es zu gefährlich, sagt James' Mutter. Schließlich könne er wegen seiner dunklen Hautfarbe schnell einen Sonnenstich bekommen, glaubt sie.

(jd)
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