UN-Gericht fordert Großbritannien soll Inseln im Indischen Ozean abgeben

Den Haag · Schlag gegen das britische Empire: Der Internationale Gerichtshof fordert das Ende der britischen Herrschaft über die Chagos-Inselgruppe im Indischen Ozean. Darum ist das Archipel militärisch wichtig.

 Auch die Seychellen waren bis zu ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1976 eine britische Kronkolonie (Symbolfoto).

Auch die Seychellen waren bis zu ihrer Unabhängigkeit im Jahr 1976 eine britische Kronkolonie (Symbolfoto).

Foto: dpa-tmn/Raymond Sahuquet

Großbritanniens jahrzehntelange Herrschaft über den militärisch bedeutenden Chagos-Archipel verstößt nach Überzeugung des Internationalen Gerichtshofes (IGH) gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker. London müsse die Inselgruppe im Indischen Ozean, zu der auch der US-Militärstützpunkt Diego Garcia gehört, daher „so rasch wie möglich“ an Mauritius zurückgeben, heißt es in einem am Montag veröffentlichen Gutachten des Weltgerichtshofes.

Es wurde im Auftrag der UN-Vollversammlung erstellt, ist jedoch nicht völkerrechtlich bindend. 13 der 14 IGH-Richter stimmten dem Gutachten zu.

Der IGH sollte prüfen, ob die Abspaltung des Chagos-Archipels von der damaligen britischen Kolonie Mauritius im Jahr 1965 - drei Jahre vor der Unabhängigkeit des Inselstaates westlich des afrikanischen Kontinents - rechtmäßig war. Die Richter erklärten, damit sei die territoriale Integrität von Mauritius verletzt worden; dessen Entkolonialisierung sei daher bis heute nicht vollständig vollzogen.

Großbritannien hat Diego Garcia - die Hauptinsel des 56 Quadratkilometer großen Archipels - 1966 an die USA verpachtet. Der Vertrag wurde 2016 bis 2036 verlängert. Die rund 1500 Bewohner der Insel wurden vertrieben, nachdem die USA dort Anfang der 1970er Jahre ihren wichtigsten Militärstützpunkt im Indischen Ozean einrichteten. Die Rückkehr wird ihnen sowie ihren Nachfahren bis heute verweigert.

Für die USA hat Diego Garcia große militärstrategische Bedeutung. Der Stützpunkt wurde unter anderem für US-Kriegseinsätze in Afghanistan und im Irak genutzt. Washington hatte den IGH aufgefordert, sich nicht mit der Forderung nach Rückgabe des Chagos-Archipels zu befassen, sondern dies direkten Gesprächen zwischen Mauritius und Großbritannien zu überlassen.

Der aus Somalia stammende IGH-Präsident Abdulqawi Ahmed Yusuf erklärte hingegen, der Gerichtshof habe die Frage seiner Zuständigkeit gründlich geprüft und mit Ja beantwortet. Der Auftrag für das Rechtsgutachten erging 2017 nach einer Abstimmung in der UN-Vollversammlung, bei der sich Großbritanniens europäische Verbündete Frankreich und Deutschland enthielten.

Bei den Anhörungen vor dem Weltgerichtshof erklärte der Ex-Regierungschef des Inselstaates, Sir Anerood Jugnauth (88), die Vertreter von Mauritius hätten bei den Verhandlungen über die Unabhängigkeit mit London der Abspaltung des Chagos-Archipels nur nach „immensem Druck“ zugestimmt.

Großbritanniens Anwalt Sir Robert Buckland machte geltend, der Archipel sei nie wirklich integraler Bestandteil von Mauritius gewesen, da er 1250 Kilometer weit entfernt liege. Die Vertreibung der Bewohner - sie kamen vor allem nach Mauritius, auf die Seychellen sowie teils auch nach Großbritannien - sei zwar „schändlich“ gewesen. Sie hätten aber später Entschädigungen erhalten. Zudem habe das Parlament in Port Louis (Mauritius) der Chagos-Abtretung zugestimmt. Erst seit 2012 behaupte Mauritius, es sei damals Druck ausgeübt worden.

(kron/dpa)
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