„Hier werdet ihr belogen“ Couragierte Kriegsgegnerin sabotiert russische Nachrichtensendung

Moskau · Eine Kriegsgegnerin hat mit einem Protestplakat und lauten Rufen im russischen Staatsfernsehen für eine Unterbrechung der abendlichen Hauptnachrichtensendung gesorgt.

 Die Unterbrechung der russischen Nachrichtensendung wurde von vielen Nutzern unter anderem auf Twitter geteilt.

Die Unterbrechung der russischen Nachrichtensendung wurde von vielen Nutzern unter anderem auf Twitter geteilt.

Foto: dpa/Axel Heimken

Während der Live-Übertragung am Montag um 21 Uhr Moskauer Zeit (19 Uhr MEZ) sprang die Frau plötzlich hinter Nachrichtensprecherin Jekaterina Andrejewa ins Bild und hielt ein Schild mit der Aufschrift „Stoppt den Krieg. Glaubt der Propaganda nicht. Hier werdet ihr belogen“ hoch. Dazu rief sie mehrmals laut: „Nein zum Krieg, Nein zum Krieg, Nein zum Krieg!“ Anschließend brach die Übertragung ab und es wurden Bilder aus einem Krankenhaus gezeigt. Kanal 1 erklärte später, man führe eine interne Überprüfung des Vorfalls durch. Laut russischen Medienberichten und Journalisten heißt die Frau Marina Owsjannikowa und ist eine Mitarbeiterin des Staatssenders.

Das Staatsfernsehen ist die Hauptnachrichtenquelle für viele Millionen Russen und hält sich eng an die Kreml-Linie. In Russland ist es Medien verboten, den russischen Einmarsch in die Ukraine als „Krieg“ oder „Invasion“ zu benennen. Stattdessen ist offiziell von einer „militärischen Spezialoperation“ die Rede.

Bei der Aktivistin soll es sich einer Menschrechtsorganisation zufolge um eine Mitarbeiterin des Senders handeln. Der Organisation zufolge wurde die Angestellte festgenommen und auf eine Polizeistation in Moskau gebracht. Laut der Agentur Tass droht ihr eine Strafe wegen Diskreditierung der bewaffneten Streitkräfte.

Das russische Parlament hatte vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, das bis zu 15 Jahre Haft für die Verbreitung von "Falschnachrichten" über das Militär vorsieht. Damit wurde auch die Bezeichnung des russischen Militäreinsatzes als "Krieg" unter Strafe gestellt.

Der Videoausschnitt verbreitete sich indessen umgehend in sozialen Netzwerken. Vor allem russische Oppositionelle lobten die Frau für ihren Mut. „Was Mut wirklich bedeutet“, schrieb der Pianist Igor Levit bei Twitter.

Auch der inhaftierte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny begrüßte die Aktion. Seine Sprecherin Kira Jarmisch schrieb auf Twitter: "Wow, das Mädchen ist cool." Jarmisch lud das Video hoch, das sich in kürzester Zeit mehr als 2,6 Millionen Menschen ansahen. Nawalny ist der prominenteste Gegner Putins in Russland.

Anwälte der Bürgerrechtsorganisation IWD-Info hätten die Frau auch mehr als zehn Stunden nach der Protestaktion nicht kontaktieren können, schrieb der Ex-Chefredakteur des dichtgemachten Radiosenders Echo Moskwy, Alexej Wenediktow, bei Twitter.

In einem Video, das vor dem Vorfall aufgezeichnet worden sein soll und anschließend online gestellt wurde, beschrieb sich eine Frau, die die Aktivistin zu schein schien, als Mitarbeiterin des Senders. Sie sagte, dass sie sich dafür schäme, jahrelang Kreml-Propaganda verbreitet zu haben. Ihr Vater sei Ukrainer, ihre Mutter Russin. Was derzeit in der Ukraine passiere, sei ein Verbrechen und Russland sei der Aggressor. Die Verantwortung liege bei einem Mann und dieser sei Präsident Wladimir Putin. Sie rief das russische Volk auf, auf die Straße zu gehen und zu demonstrieren.

(peng/felt/dpa/Reuters/AFP)
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