Gefährliche Sprengkörper Warum Ukrainerinnen sich zu Minen-Sucherinnen ausbilden lassen

Peja · Das hinterhältige Kriegsgerät „Mine“ hat in vielen Konflikten weltweit auch nach Ende der Auseinandersetzungen immer noch eine gefährliche Aktualität. Und auch im Ukraine-Krieg kommen Minen zum Einsatz. Einige Frauen lassen sich nun zu Minen-Sucherinnen ausbilden.

Ukraine-Krieg: So werden Ukrainerinnen zu Minen-Sucherinnen ausgebildet
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So werden Ukrainerinnen zu Minen-Sucherinnen ausgebildet

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Dass sie einmal lernen würde, wie man Landminen findet und unschädlich macht, lag noch vor kurzem außerhalb der Vorstellungskraft von Anastasia Minutschukowa. Als angehende Englischlehrerin hatte die Ukrainerin ganz anderes im Kopf und auf dem täglichen Arbeitsplan. Jetzt aber ist Krieg. Statt in der Uni und im Klassenzimmer steht Minutschukowa auf einem Feld im Kosovo und lässt sich in der Minensuche ausbilden.

„Es gibt einen riesigen Bedarf an Leuten, die wissen, wie man Minen entschärft“, sagt die junge Frau. Sie geht davon aus, dass der Krieg in ihrer Heimat bald vorbei ist und dann an vielen Orten gefährliche Sprengkörper im Boden lauern, die schnell beseitigt werden müssen. „Wir denken, dass es ganz viel Arbeit gibt“, erklärt die 20-Jährige.

Zusammen mit fünf anderen Ukrainerinnen steht Minutschukowa in Schutzausrüstung und mit einem Minendetektor in der Hand auf einem mit Warnschildern gespickten Feld am Rande der Kosovo-Stadt Peja. Hier lernen die Frauen in einem 18-tägigen Kurs das Nötigste über die Suche und Entschärfung der explosiven Hinterlassenschaften.

Nach dem Kosovo-Konflikt Ende der 90-er Jahre blieben Tausende nicht detonierte Minen im Boden und in Trümmern zurück. In diesem Umfeld bietet das auf Kampfmittelbeseitigung spezialisierte maltesische Unternehmen Praedium Consulting Malta Trainingskurse an. Den aktuellen Kursplan hat Ausbilder Artur Tigani dabei so zugeschnitten, dass er möglichst die örtlichen Gegebenheiten für die spätere Sprengkörpersuche in der Ukraine widerspiegelt.

Er gebe gerne seine Erfahrungen weiter, sagt Tigani, einst Ingenieur bei den jugoslawischen Streitkräften. Auch wenn der Kosovo-Krieg vor 23 Jahren geendet habe, sei die Erinnerung daran noch sehr präsent – und an die Schwierigkeiten, auf die er und seine Kollegen damals gestoßen seien, als sie mit der Kampfmittelbeseitigung begannen.

Wie sehr die Ukraine nach dem Krieg mit Minen und Blindgängern übersäht sein wird, ist nicht abzuschätzen. Die Erfahrung aus anderen Konflikten aber lässt ein enormes Problem erwarten. In vielen Teilen der Welt töteten und verstümmelten explosive Hinterlassenschaften von Kriegen auch lange nach dem Ende des Konflikts noch Tausende Menschen, bekräftigte das Internationale Rote Kreuz im Dezember auf einer UN-Konferenz. Die meisten Opfer seien Kinder.

Sprengkörper in Trümmern zu lokalisieren und aus oft ähnlich aussehenden Alltagsgegenständen herauszusuchen, sei dabei eine „gefährliche, mühsame und oft extrem zeitraubende Aufgabe“, betont das Rote Kreuz. Nach Daten der norwegischen Organisation Mine Action Review waren Ende vergangenen Jahres 56 Länder mit nicht explodierten Kampfmitteln verseucht. Am stärksten belastet waren demnach Afghanistan, Kambodscha und der Irak, gefolgt von Angola, Bosnien, Thailand, der Türkei und dem Jemen.

Militäranalysten gehen davon aus, dass die russischen Truppen in ihrem Krieg in der Ukraine sowohl Antipersonen- als auch Antifahrzeugminen eingesetzt haben. Die Ukraine wiederum hat vermutlich mit Panzerabwehrminen versucht, die Angreifer am Vormarsch zu hindern.

Zusammen mit Anastasija Minutschukowa lässt sich Julija Katelik in der Minensuche fitmachen. Für ihre Kinder solle es sicher sein, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren, sagt die 38-Jährige. Sie brachte ihre drei Kinder zu Kriegsbeginn in Polen in Sicherheit, kehrt dann in die Ukraine zurück, um ihren Beitrag zur Verteidigung gegen die Angreifer zu leisten. Julija Katelik kommt aus der ostukrainischen Stadt Kramatorsk, wo vor drei Wochen bei einem Raketenangriff auf den Bahnhof mehr als 50 Menschen getötet und Dutzende weitere verletzt wurden.

Ihr größter Wunsch? Dass die Familie wieder vereint ist und „das Ende dieses Alptraums“, sagt Katelik. Und dann wolle sie in der Lage sein, Sprengfallen zu erkennen und unschädlich zu machen, damit ihr Leben nicht noch einmal zerstört wird.

Das Ausbildungszentrum im Kosovo will derweil künftig Ukrainerinnen nicht nur in Peja schulen. „Wir planen auch, sehr bald in die Ukraine zu gehen und mit Kursen zu beginnen“, kündigt Tigani an, „am Kriegsschauplatz.“

(felt/dpa)
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