Flüchtlingsdrama vor Lampedusa Überlebenden drohen 5000 Euro Geldstrafe

Rom · Für seine Einwanderungspolitik steht Italien immer wieder in der Kritik. Die erneute Tragödie vor Lampedusa entfacht eine Debatte im Land. Viele Politiker auch außerhalb Italiens wollen grundlegende Änderungen.

2013: Flüchtlingsdrama vor Lampedusa
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Das Flüchtlingsdrama vor Lampedusa hat in Italien und Europa eine Debatte über die Einwanderungsgesetze und den Umgang mit Migranten ausgelöst. Staatspräsident Giorgio Napolitano verlangte neue Gesetze zum Umgang mit Flüchtlingen und Asylbewerbern. Andere Politiker machten sich für eine Überarbeitung des restriktiven Gesetzes zu illegaler Einwanderung aus dem Jahr 2002 stark. "Im Licht dieser Tragödie muss das Bossi-Fini-Gesetz noch einmal überprüft werden", sagte Senatspräsident Pietro Grasso.

Gegen die 155 Überlebenden des Unglücks soll wegen illegaler Einwanderung ermittelt werden. Sobald sie identifiziert seien, geschehe dies zwangsläufig, berichtete die Nachrichtenagentur Ansa am Samstag unter Berufung auf die Staatsanwaltschaft. Den Afrikanern droht eine Geldstrafe von bis zu 5000 Euro.

Italiens Regierungschef Enrico Letta forderte mehr Unterstützung aus der EU. "Italien muss es schaffen, in Europa Gehör und Verbündete zu finden", sagte er laut der Nachrichtenagentur Ansa. Europa müsse sein Interventions- und Aktionsniveau erhöhen, um zu verhindern, dass sich Tragödien wie die vor Lampedusa wiederholten.

Die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgieva, verlangte bessere Zugangsmöglichkeiten für Flüchtlinge in die Europäische Union. "Wir Europäer müssen nicht nur die Herzen und die Geldbeutel offenhalten, sondern auch unsere Grenzen", sagte Georgieva der "Welt" (Samstag). "Die EU basiert auf Solidarität. Das bedeutet, dass wir Menschen willkommen heißen müssen, wenn sie unsere Hilfe brauchen."

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte schärfere Maßnahmen gegen Schlepper. "Fest steht, dass wir noch stärker die Netzwerke organisierter und ausbeuterischer Schleusungskriminalität bekämpfen müssen", sagte Friedrich der "Welt am Sonntag". "Die Schleuser-Verbrecher sind es, die die Menschen mit falschen Versprechungen in Lebensgefahr bringen und oftmals in den Tod führen."

Die italienische Parlamentspräsidentin Laura Boldrini appellierte, die Politik gegenüber den Ursprungsländern und den Asylbewerbern zu überdenken. Der Parteichef von Lettas Demokratischer Partei, Giuglielmo Epifani, sagte: "Das Bossi-Fini-Gesetz wurde im Schatten von Emotionen und Angst verabschiedet. Jetzt brauchen wir ein Klima des Willkommens." Innenminister und Vize-Regierungschef Angelino Alfano schloss eine Änderung des umstrittenen Gesetzes jedoch aus. "Leider ist die Frage sehr viel komplizierter", sagte er.

Zwei Tage nach dem folgenschweren Unglück mit mehr als 100 Toten gingen am Samstag am Unglücksort die Such- und Bergungsarbeiten weiter. Sie wurden zunächst von starkem Wind und schlechtem Wetter behindert, Taucher konnten nicht zu dem Schiffswrack vordringen. Es liegt in etwa 40 Metern Tiefe auf dem Meeresboden vor der Küste. Es wird vermutet, dass noch Hunderte weitere Menschen bei dem Schiffbruch ums Leben gekommen sind.

Fischer legten am Morgen Blumen im Meer ab, um der getöteten Migranten zu gedenken. 111 Leichen wurden bislang geborgen, darunter vier Kinder. Ihr Boot war am Donnerstag vor Lampedusa in Flammen aufgegangen und gekentert. Roms Bürgermeister Ignazio Marino kündigte an, die 155 Überlebenden der Katastrophe in Rom zu empfangen. "Das ist das erste Signal der Rebellion gegen die Resignation und Gleichgültigkeit", sagte er.

Den Vorwurf, Europa schotte sich ab, wies Friedrich zurück." Allein Deutschland hat in diesem Jahr schon annähernd 80 000 Menschen Zuflucht gewährt. Durch die gemeinsamen, europäischen Grenzpolizei-Einsätze konnten in den vergangenen zwei Jahren fast 40 000 Menschen aus Seenot gerettet werden."

Wichtig sei zudem, die Situation in den Herkunftsländern der Flüchtlinge zu verbessern. "Die Menschen brauchen stabile politische Verhältnisse und wirtschaftliche Perspektiven in ihrer Heimat. Dabei muss und kann Europa helfen", sagte Friedrich der "Welt am Sonntag".

(dpa)
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