Flüchtlingskatastrophe mit hunderten Toten Überlebende: "Die Schleuser lachten"

Rom · Nach dem Flüchtlingsdrama mit vermutlich 500 Toten im Mittelmeer werden die Vorwürfe gegen die Schleuser, die das Boot offenbar mit Absicht versenkt haben, immer lauter. Überlebende berichten, die Männer hättten beim Anblick des sinkenden Schiffs mit hunderten Menschen an Bord gelacht.

  Diese Flüchtlinge konnten durch die libysche Küstenwache gerettet werden.

Diese Flüchtlinge konnten durch die libysche Küstenwache gerettet werden.

Foto: dpa, swh

Wie die Internationale Organisation für Migration (IOM) am Dienstag in Rom mitteilte, bargen Rettungskräfte zehn Überlebende und fanden zudem drei Leichen. An Bord waren über 500 Menschen. Die IOM geht davon aus, dass hunderte weitere Migranten das offenbar von Schleusern verursachte Unglück nicht überlebten. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström forderte, den Kampf gegen die Menschenhändler zu intensivieren.

  Helfer haben einen verletzten Flüchtling zu einem Krankenwagen gebracht.

Helfer haben einen verletzten Flüchtling zu einem Krankenwagen gebracht.

Foto: dpa, swh

Kleinkind stirbt in Rettungshubschrauber

Nach Angaben der IOM wurden die Überlebenden nach Malta, Kreta und Sizilien gebracht. Ein kleines Mädchen, das am Freitag nach zwei Tagen aus dem Wasser gerettet worden war, starb noch im Rettungshubschrauber auf dem Weg nach Kreta. Eine etwa Zweijährige schwebte am Dienstag weiter in Lebensgefahr.

Bei den nach Sizilien gebrachten Flüchtlingen handelt es sich um die beiden 27 und 33 Jahre alten Palästinenser, die der IOM als erste vom Untergang ihres Schiffes am Mittwoch vergangener Woche berichtet hatten. Die Organisation geht von 400 bis 450 erwachsenen sowie einhundert minderjährigen Vermissten aus.

Zudem sank am Sonntagabend vor Libyen ein Flüchtlingsboot mit 200 Insassen, von denen nur 36 gerettet wurden. "Die Zahl der Menschen, die vor den Küsten Europas sterben, ist schockierend und inakzeptabel", sagte IOM-Generaldirektor William Lacy Swing am Dienstag mit Blick auf die Tragödien im Mittelmeer, bei denen allein in diesem Jahr bereits fast 3000 Flüchtlinge starben.

Den geretteten Palästinensern zufolge war das Flüchtlingsschiff mit Menschen aus Syrien, Ägypten, dem Sudan und den Palästinensergebieten am 6. September in Ägypten aufgebrochen. Nach Angaben eines palästinensisches Behördenvertreters stammten dutzende der Insassen aus dem Gazastreifen.

Schleuser rammten Schiff offenbar absichtlich

Während der Fahrt hätten die Passagiere mehrmals das Boot wechseln müssen, berichteten die beiden geretteten Palästinenser. Als sie sich am Mittwoch geweigert hätten, in ein noch kleineres Boot zu steigen, hätten die wütenden Schleuser das Schiff absichtlich gerammt. Vor Malta sei das Boot untergegangen. Die beiden Palästinenser wurden am folgenden Tag von einem Frachter aus dem Meer gerettet. "Nachdem sie unser Boot gerammt hatten, warteten sie, um sicherzugehen, dass es komplett untergegangen war. Dabei lachten sie", berichtete einer von ihnen.

Die übrigen Überlebenden bestätigten nach IOM-Angaben die Schilderungen der beiden Palästinenser über den Hergang der Katastrophe. Die IOM sprach von dem "schlimmsten Schiffsunglück seit Jahren". Sollten die Schilderungen der Flüchtlinge stimmen, handele es sich um "Massenmord".

EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström forderte politische Konsequenzen. "Wir müssen dringend unsere Bemühungen verstärken im Kampf gegen die abscheuliche Tätigkeit der Schmuggler, die für den Tod von hunderten Frauen, Männern und Kindern verantwortlich sind, die auf der Suche nach einem besseren Leben das Meer zu überqueren versuchen", erklärte Malmström in Brüssel. Daher arbeite die EU-Kommission an einem Aktionsplan, der unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit mit Nicht-EU-Staaten vorsehe.

"Solche Bemühungen müssen begleitet werden von der Bereitschaft der Mitgliedstaaten, mehr legale Wege nach Europa zu schaffen", fügte die Schwedin hinzu. Dazu gehöre die Bereitschaft, gezielt Flüchtlinge aufzunehmen und in den EU-Staaten anzusiedeln.

(DEU)
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