Drei Jahre Haft im Tugce-Prozess Sanel M. erwartet ein Leben in Angst

Darmstadt · Das Landgericht Darmstadt hat den 18-jährigen Angeklagten Sanel M. zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Das Urteil nahm er gefasst auf. Dass er mit dieser Tat sein Leben ruiniert hat, wusste er schon vor dem Urteilsspruch. Sein Verteidiger kündigte Revision an.

 Der verurteilte Sanel M. verbarg sein Gesicht hinter einem Briefbogen.

Der verurteilte Sanel M. verbarg sein Gesicht hinter einem Briefbogen.

Foto: dpa, brx lre

Für den gewaltsamen Tod der Studentin Tugce auf einem Parkplatz in Offenbach muss Sanel M. drei Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht Darmstadt verurteilte den 18-Jährigen am Dienstag nach dem Jugendstrafrecht wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Der Täter habe den Tod der 22-Jährigen nicht beabsichtigt, sagte der Vorsitzende Richter Jens Aßling. Sanel M. sei "kein Killer, Totschläger oder Koma-Schläger".

Im Prozess hatte der junge Mann Reue bekundet. "Egal, was hier dabei rauskommt, ich muss damit leben, dass wegen mir ein Mensch tot ist. Der Schlag war der schlimmste Fehler meines Lebens", teilte er am vergangenen Freitag in seinem Schlusswort mit.

Die Verteidigung von Sanel M. will das Urteil anfechten. "Wir werden in Revision gehen", sagte sein Anwalt Heinz-Jürgen Borowsky. Man halte die Begründung des Gerichts nicht für überzeugend, es hätte bessere Möglichkeiten für Sanel M. gegeben, als ihn jetzt im Gefängnis wegzusperren. Er hatte für eine Bewährungsstrafe plädiert.

Offensichtlich geht die Verteidigung davon aus, dass ihr Mandant schon allein durch die unmittelbaren Folgen seiner Tat gestraft ist. "Das Leben des Angeklagten wird künftig auch von Angst bestimmt sein", zitierte unlängst faz.net die Verteidigung. Er werde das Rhein-Main-Gebiet verlassen müssen und sich schon deshalb ein Leben lang mit seiner Tat auseinandersetzen.

Auch im Gefängnis hat Sanel M. guten Grund, sich unsicher zu fühlen. Schon in der Untersuchungshaft in Wiesbaden konnte ihn das Justizpersonal nicht ausreichend schützen. Ein Häftling attackierte den 18-Jährigen und brach ihm mit einem Faustschlag die Nase. Zwar geschah das auf dem Höhepunkt der medialen Überhöhung Tugces als Märtyrerin. Doch ob die verstrichene Zeit gereicht hat, um den einmal in die Welt gesetzten Ruf Sanel M.s als einem eiskalten Frauenmörder aus der Welt zu schaffen, bleibt offen.

Der Angeklagte hatte zugegeben, der Studentin im November vergangenen Jahres auf dem Parkplatz eines Schnellrestaurants heftig ins Gesicht geschlagen zu haben. Die junge Frau stürzte und schlug mit dem Kopf hart auf den Boden auf. Sie fiel in ein Koma, aus dem sie nicht mehr erwachte. Sanel M. hatte seine Tat zu Prozessbeginn bedauert: "Es tut mir unendlich leid, was ich getan habe. Ich habe niemals mit ihrem Tod gerechnet."

Mit dem Urteil folgte das Landgericht in weiten Teilen der Anklage.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Gefängnisstrafe von drei Jahren und drei Monaten gefordert. Die Nebenklage verlangte eine längere Haftdauer ohne einen konkreten Zeitraum zu nennen. Aus Sicht der Verteidigung hätte eine Bewährungsstrafe ausgereicht.

Bewegender Abschied von Tugce
6 Bilder

Bewegender Abschied von Tugce

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Foto: dpa, brx htf

Der Mutter von Tugce kamen beim Urteil die Tränen, auch Zuschauer weinten. Der 18-jährige Sanel M. nahm die Entscheidung äußerlich ruhiger auf.

Der gewaltsame Tod von Tugce hatte deutschlandweit große Anteilnahme ausgelöst. Die Studentin soll vor der Tat in der Toilette des Restaurants zwei Mädchen vor dem Angeklagten beschützt haben. Freunde von Tugce verehren sie deshalb als "Heldin" und "Engel". Viele von ihnen waren auch am letzten Tag gekommen, um die Familie zu unterstützen.

Vor dem mit Spannung erwarteten Urteil war es im Gericht zu einem Tumult gekommen. Zuschauer rangelten um die begrenzten Plätze und beleidigten einander. Für den Prozess gab es besondere Sicherheitskontrollen.

In dem Verfahren hat das Landgericht Darmstadt mehr als 60 Zeugen vernommen, auch Freundinnen von Tugce sowie Freunde von Sanel M.. Schnell wurde klar, dass sich beide Seiten vor dem Schlag gegenseitig übel beleidigten.

Richter Aßling richtete sich in der Urteilsbegründung auch an die Familie von Tugce. Der Verlust sei "durch kein Urteil dieser Welt auszugleichen".

(dpa)
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