Spöttische Äußerungen bei Twitter Türkischer Star-Pianist Say vor Gericht

Istanbul · Die türkische Justiz stellt einen ihrer international bekanntesten Musiker wegen Beleidigung der Religion vor Gericht. Starkomponist Fazil Say ist wegen mehrerer Twitter-Nachrichten angeklagt. Er weist alle Vorwürfe zurück.

Fazil Say muss sich in der Türkei vor Gericht verantworten.

Fazil Say muss sich in der Türkei vor Gericht verantworten.

Foto: dpa

Wegen im Internet verbreiteter Kurznachrichten macht die türkische Justiz dem Starpianisten und Komponisten Fazil Say (42) seit Donnerstag einen Prozess wegen Beleidigung des Islam.

Zum Auftakt der Verhandlung habe Say jede Schuld bestritten, sagten Prozessbeobachter. Die Verhandlung vor der 19. Strafkammer des Amtsgerichts in Istanbul wurde nach etwa einer Stunde auf den 18.Februar 2013 vertagt. Wegen des weiter laufenden Verfahrens wolle sich Say zunächst nicht öffentlich äußern, teilte sein Management am Rande der Verhandlung mit. Ihm drohen bei einer Verurteilung bis zu 18 Monate Haft.

Proteste gegen Protest

Vor dem Gericht demonstrierten am Donnerstag knapp 100 Menschen gegen den Prozess. Auch international erhielt Say Unterstützung. Politiker mehrerer Fraktionen des Bundestages äußerten sich in einer Erklärung besorgt über die Umstände und eine als unverhältnismäßig hoch bezeichnete Strafandrohung. "In einem demokratischen und säkularen Rechtsstaat dürfen bloße Meinungsäußerungen nicht zu dem Vorwurf eines schweren Verbrechens und zu langen Freiheitsstrafen führen", hieß es in der Erklärung, die die Linke-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen vorgelegt hatte.

Say hatte über den Kurznachrichtendienst Twitter mehrere kritische sowie spöttisch formulierte Äußerungen verbreitet, die islamische Frömmelei und Scheinheiligkeit auf die Schippe nahmen. "Ich weiß nicht, ob ihr es gemerkt habt? Überall wo es Schwätzer, Gemeine, Sensationsgierige, Diebe, Scharlatane gibt, sie alle sind übertrieben gläubig. Ist das ein Paradoxon?" lautet eine in der Anklage genannte Kurzmitteilung. Drei türkische Bürger hatten Say daraufhin angezeigt und ihm vorgeworfen, die islamische Religion und die Anhänger dieser Religion schwer beleidigt und religiöse Werte öffentlich herabgewürdigt zu haben.

Fazil Say gehört international zu den bekanntesten Künstlern der Türkei. Er hatte 1994 beim europäischen Nachwuchswettbewerb für Musiker den ersten Preis gewonnen und damit den Durchbruch geschafft. Say hat sich mehrfach kritisch über die islamisch-konservative Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan geäußert und erklärt, er denke darüber nach, das Land zu verlassen.

(dpa)
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