„Nicht ein Wort über acht Minuten und 46 Sekunden“ Viel Kritik an Trump bei Trauergottesdienst für George Floyd

Houston · Es war ein emotionaler Abschied von George Floyd. Doch neben der Trauer kritisierten mehrere Redner den US-Präsidenten Donald Trump für sein Verhalten im Fall des getöteten Afroamerikaners.

 Sargträger verlassen die Kirche.

Sargträger verlassen die Kirche.

Foto: AP/Godofredo A. Vásquez

In einer emotionsgeladenen Trauerzeremonie haben Angehörige, Freunde, Bürgerrechtler und Politiker Abschied von dem durch Polizeigewalt getöteten Afroamerikaner George Floyd genommen. An der Zeremonie zu Floyds Bestattung nahmen am Dienstag in der Kirche "Fountain of Praise" in der texanischen Metropole Houston hunderte Gäste teil. Der designierte Präsidentschaftskandidat der oppositionellen Demokraten, Joe Biden, forderte in einer Videobotschaft einen verstärkten Kampf gegen den Rassismus in den USA.

"Er hat die Welt verändert", sagte der demokratische Abgeordnete Al Green während der Zeremonie über Floyd, der am 25. Mai bei einem brutalen Polizeieinsatz getötet worden war. "Und wir werden die Welt wissen lassen, dass er einen Unterschied ausgemacht hat." Seit Floyds Tod finden in den USA und vielen anderen Ländern Demonstrationen gegen Rassismus und exzessive Polizeigewalt statt.

Die USA dürften dem Problem des Rassismus nicht länger den Rücken zuwenden, verlangte Biden in seiner während des Trauergottesdienstes gezeigten Videobotschaft. "Jetzt ist die Zeit für Gerechtigkeit für alle Rassen", sagte der Ex-Vizepräsident.

„Wir können die Wunden dieser Nation heilen“, sagte Biden. Zu viele Schwarze in den USA „wachen auf und wissen, dass sie ihr Leben verlieren können, indem sie einfach ihr Leben leben“, beklagte Biden. „Wenn George Floyd Gerechtigkeit erfährt, werden wir wirklich auf unserem Weg zur Rassengerechtigkeit in Amerika sein.“

Biden ging nicht explizit auf die Haltung von US-Präsident Donald Trump zu den Protesten und Rassismus ein, während andere Redner den Präsidenten offen attackierten. "Jemand hat gesagt: 'Macht Amerika wieder großartig'", sagte Floyds Nichte Brooke Williams unter Bezug auf Trumps Wahlkampfslogan 2016. "Aber Amerika war nie großartig." Es dürfe keine "Hassverbrechen" mehr geben.

US-Präsident Donald Trump dagegen adressierte die Beisetzung am Dienstag nicht. Stattdessen griff er einen verletzten Demonstranten per Twitter an. Trump hat Floyds Tod mehrfach verurteilt. Ihm wird aber vorgeworfen, sich nicht klar gegen Rassismus zu positionieren und nicht genug Verständnis für den Zorn über Diskriminierung und Ungerechtigkeit im Land zu zeigen.

Präsent war Trump bei der Trauerfeier dennoch - wenn auch indirekt - dabei.

Der bekannte Bürgerrechtler Al Sharpton warf Trump vor, einen Militäreinsatz gegen gewaltbereite Demonstranten angedroht, aber kein Wort über den "Polizistenmord" an Floyd gesagt zu haben. Er habe damit das Signal gesetzt, dass Polizisten bei einem Fehlverhalten keine strafrechtlichen Konsequenzen fürchten müssten. „Er hat China wegen der Menschenrechte angegriffen“, sagte er. „Was ist mit dem Menschenrecht von George Floyd?“ Sharpton kritisierte, Trump drohe mit dem Einsatz des Militärs gegen die Proteste infolge von Floyds Tod, „aber er spricht nicht ein Wort über acht Minuten und 46 Sekunden“. Solange hatte ein weißer Polizist in Minneapolis sein Knie in den Nacken Floyds gedrückt, der daraufhin gestorben war. „Dein Land wird deinen Namen immer erinnern“, sagte Sharpton. „Denn dein Hals war einer, der alle von uns repräsentiert hat, und wie du gelitten hast, stand für unser Leid.“

Der Pastor William Lawson sagte, im Kampf gegen Rassismus müsse als erstes das Weiße Haus "gesäubert" werden.

Zu dem dreieinhalbstündigen Trauergottesdienst für "Big Floyd" waren rund 500 Gäste geladen. Die Zeremonie wurde von viel Soul- und Gospel-Musik begleitet. Wegen der Corona-Pandemie trugen die Teilnehmer Atemschutzmasken. Unter ihnen waren diverse Prominente wie die Schauspieler Jamie Foxx und Channing Tatum, der Filmemacher Tyler Perry und der frühere Box-Weltmeister Floyd Mayweather. Laut Medienberichten übernahm Mayweather alle Kosten der Feierlichkeiten.

Nach dem Gottesdienst wurde der Sarg mit Floyd sterblichen Überresten in einer von Pferden gezogenen Kutsche zum Friedhof Houston Memorial Gardens gebracht. Dabei säumten hunderte Menschen den Weg, die Floyds Namen riefen. Der in Houston aufgewachsene Floyd sollte unter Ausschluss der Öffentlichkeit an der Seite seiner Mutter beerdigt werden. Bereits am Montag hatten tausende Menschen in Houston Abschied von ihm genommen.

Der wegen eines mutmaßlichen kleinen Falschgelddelikts in der Großstadt Minneapolis im nördlichen Bundesstaat Minnesota von der Polizei aufgegriffene Floyd war gestorben, nachdem ihm ein weißer Beamter fast neun Minuten lang das Knie auf den Nacken gedrückt hatte. Vergeblich hatte der 46-Jährige geklagt, dass er keine Luft bekomme. Sein verzweifelter Satz "Ich kann nicht atmen" ging um die Welt.

Der Polizist Derek Chauvin wurde nach der Tat entlassen, festgenommen und wegen Totschlages beschuldigt. Der Fall Floyd hat Forderungen nach tiefgreifenden Reformen bei der US-Polizei neuen Auftrieb gegeben.

Derweil sorgte Trump mit Äußerungen zu einem Demonstranten, der von Polizisten schwer verletzt worden war, für Empörung. Trump schrieb ohne jeden Beleg im Kurzbotschaftendienst Twitter, bei dem 75-Jährigen könnte es sich um einen "Antifa-Provokateur" handeln. "Ich habe es mir angeschaut, er ist härter gefallen, als er gestoßen wurde." Der 75-Jährige war bei einer Anti-Rassismus-Demonstration in Buffalo im Bundesstaat New York von zwei Polizisten niedergestoßen worden. Er zog sich eine blutende Kopfverletzung zu.

(anst/AFP)
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