Niederländischer Skandalarzt Tränen und Aufatmen: Haftstrafe für "Dr. Frankenstein"

Almelo · Gerechtigkeit nach vielen Jahren: Die Opfer des niederländischen Skandalarztes sind erleichtert. Er muss ins Gefängnis. Seine Fehldiagnosen waren kein Kunstfehler.

 Der ehemalige Neurologe Ernst Jansen (Mitte) wird nach dem Prozess abgeführt.

Der ehemalige Neurologe Ernst Jansen (Mitte) wird nach dem Prozess abgeführt.

Foto: dpa, pelin bjw lof

Das lange quälende Warten hat ein Ende: "Endlich Gerechtigkeit", sagt der Niederländer Freddy de Haan. Der Arzt, der sein Leben fast zerstörte, muss ins Gefängnis. Der ehemalige Neurologe Ernst Jansen hatte bei De Haan 2002 Alzheimer festgestellt. Die Diagnose war falsch. Jansen hatte "bewusst und absichtlich" gehandelt und ist daher schuld an schwerer Körperverletzung. Das Strafgericht in Almelo verurteilte am Dienstag den Skandalarzt zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung. "Horrorarzt" oder "Dr. Frankenstein" nennen ihn die Medien.

Freddy de Haan war einer von neun Opfern des Arztes, der bis Anfang 2013 auch an mehreren deutschen Kliniken wie etwa in Heilbronn gearbeitet hatte. Die Staatsanwaltschaft hatte diese neun Fälle für diesen wohl größten medizinischen Strafprozess der niederländischen Geschichte ausgewählt. Insgesamt hatten sich aber mehr als 200 Ex-Patienten gemeldet. Die meisten waren bereits außergerichtlich entschädigt worden.

Neun unerträgliche Leidensgeschichten

Fast zwei Stunden brauchte der Vorsitzende Richter Marcel Bordenga für die Verlesung der Zusammenfassung des Urteils. Der trockene Gerichtstext machte neun unerträgliche Leidensgeschichten deutlich. Von Mitte der 1990er Jahre bis 2003 stellte Jansen am Krankenhaus von Enschede bei den Opfern die Diagnose Alzheimer oder Multiple Sklerose.

"Das war wie ein Todesurteil", erinnert sich Freddy de Haan. Der damals 58 Jahre alte vitale Kripobeamte verlor seine Arbeit, seine Ehe ging in die Brüche. Zwei Jahre später wurde festgestellt, dass er an einer Form von Epilepsie litt. Doch psychische und körperliche Schäden durch schwerste Medikamente bleiben bis heute. "Schwere Körperverletzung", urteilte das Gericht. De Haan kamen die Tränen. "Nach all den Jahren fiel eine Last von mir ab. Endlich Genugtuung".

Im schwersten Fall ging es um den Tod einer Frau. Sie hatte nach der Diagnose Multiple Sklerose und Alzheimer Selbstmord begangen. "Die Diagnose und die Nebenwirkungen der Medikamente führten zu einer Panikreaktion und Todesangst", erklärte der Richter. Das hätte der Arzt wissen müssen, doch er tat nichts. Im Gegenteil. Er hielt an seiner Diagnose fest, auch als sie keinerlei Symptome aufwies und alle Tests das Gegenteil bewiesen.

"Wie immer, alles gleitet an ihm ab"

Der in einen dunklen Anzug mit gelber Krawatte gekleidete Arzt rührte sich kaum. Ab und zu runzelte er missbilligend die Stirn. "Wie immer, alles gleitet an ihm ab", deutete Ineke Damink, auch eine Ex-Patientin, sein Verhalten. Er sei auch früher wie ein "echter Gott in Weiß aufgetreten".

Jansen leidet an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wie Gutachter festgestellt hatten. Er selbst hatte seine Medikamentensucht für Beurteilungsfehler verantwortlich gemacht. Doch für das Gericht waren das keine mildernden Umstände.

Auch das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Denn auch während seines Prozesses hatte er nie Einsicht gezeigt. "Fehldiagnosen gehören nun einmal zum Arztberuf", hatte er in seinem Schlusswort erklärt. "Heute würde ich aber ebenso handeln."

Das soll nicht mehr geschehen. In Deutschland gab er seine Approbation zurück und im Dezember erteilte ihm das niederländische Disziplinargericht ein lebenslanges Berufsverbot. Doch Jansen legte Berufung ein. Das könnte für diesen Prozess auch noch geschehen. Für die Opfer ist der Leidensweg noch nicht vorbei.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort