Massaker in Afghanistan Tod deutscher Ärztin bestätigt

Kabul (RPO). Bei der in Afghanistan ermordeten deutschen Helferin handelt es sich nach Angaben des Auswärtigen Amtes um eine 35-Jährige aus Sachsen. Die Frau war am Freitagabend mit neun anderen Mitgliedern eines internationalen Ärzteteams in einem Waldstück im Nordosten des Landes erschossen aufgefunden worden.

Waffen und Fahrzeuge der Bundeswehr in Afghanistan
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Foto: ddp

Die Gruppe war gut drei Wochen lang für die christliche Hilfsorganisation International Assistance Mission (IAM) in der Provinz Nuristan unterwegs gewesen, um der Bevölkerung in entlegenen Teilen des Landes medizinisch zu helfen.

Die Bundesregierung forderte eine "gründliche Aufklärung der Umstände dieses feigen Mordes". Ebenso verurteilte der britische Außenminister William Hague die Tat als "beklagenswert und feige".

IAM-Direktor Dirk Frans sagte, neben der Deutschen seien eine Britin, sechs Amerikaner - darunter eine Frau - und zwei afghanische Dolmetscher getötet worden. Ein afghanisches Mitglied der Gruppe sei entkommen und habe ihn am Freitag über den Vorfall informiert. Die Gruppe sei von dem amerikanischen Optiker Tom Little geleitet worden, der seit mehr als 30 Jahren in Afghanistan gewesen sei.

Taliban-Sprecher Sabjullah Mudschahid erklärte, die Ausländer hätten für die USA spioniert und "für das Christentum missioniert". Die Gruppe habe Bibeln in der afghanischen Sprache Dari im Gepäck gehabt, erklärten die Taliban in einer schriftlichen Mitteilung.

Hilfsorganisation bezweifelt Täterschaft der Taliban

Frans erklärte dagegen, die IAM sei zwar als christliche Organisation registriert, missioniere aber nicht. Er äußerte Zweifel, ob das Ärzteteam tatsächlich von Taliban-Kämpfern ermordet wurde. Die auf die Behandlung von Augenkrankheiten spezialisierte Gruppe sei auf dem Rückweg von einer dreiwöchigen Reise gewesen. Die Leichen wurden in der nördlichen Nachbarprovinz Badachschan gefunden. Das Ärzteteam habe den Umweg über Badachschan gewählt, weil diese Route sicherer erschienen sei, erklärte Frans.

Nach Angaben des Polizeichefs von Badachschan, General Agha Nur Kemtus, hatten die Helfer am Donnerstagmittag im Scharron-Tal Rast gemacht und wurden bei der Rückkehr zu ihren Autos von Bewaffneten angehalten. Dies habe der Überlebende des Überfalls, ein afghanischer Fahrer, berichtet. Die Bewaffneten hätten die Autos geplündert und dann alle Mitglieder der Gruppe bis auf diesen Fahrer erschossen. "Er sagte mir, er habe geschrien und den heiligen Koran rezitiert und gesagt: 'Ich bin Muslim. Tötet mich nicht'", berichtete Kemtus.

Zwei Wochen war das internationale Ärzteteam zu Fuß unterwegs gewesen, um Bewohnern im abgelegenen Parun-Tal im Nordosten Afghanistans zu helfen. Mit Lasttieren hatten sie sich eine Route durch das bergige Gelände gesucht, bevor sie Mitte dieser Woche zu ihren allradbetriebenen Fahrzeugen zurückkehrten, um die Heimfahrt nach Kabul anzutreten. "Diese Tragödie wirkt sich negativ auf unsere Fähigkeit aus, weiter dem afghanischen Volk zu dienen, wie wir es seit 1966 getan haben. Wir hoffen, dass wir unsere Arbeit nicht einstellen müssen, die jedes Jahr einer Viertelmillion Afghanen zugute kommt", erklärte die IAM.

Teamleiter wurde 2001 von Taliban-Regime ausgewiesen

Frans sagte, Teamleiter Little sei im August 2001 zusammen mit sechs Deutschen und einem weiteren amerikanischen IAM-Mitarbeiter von der damaligen Taliban-Regierung verhaftet und ausgewiesen worden. Ihnen wurde der Versuch vorgeworfen, Afghanen zum Christentum zu bekehren. Little sei nach der US-Invasion im November 2001 nach Afghanistan zurückgekehrt. Der Optiker hatte viele Jahre in Afghanistan gelebt und dort auch seine drei Töchter großgezogen.

Bei der britischen Ärztin handelt es sich nach Berichten der britischen BBC um die 36-jährige Karen Woo. Sie wollte Ende des Monats ihren Verlobten heiraten, der ebenfalls in Afghanistan arbeitet.

(AFP/felt)
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