Nach Erdbeben Ist der Supervulkan bei Neapel vor dem Ausbruch?

Die Vulkanologen sind sich uneins, wie mit der aktuellen Erdbebenphase umzugehen ist. Es könnte zu einem Superausbruch kommen, der schlimmer ist als jener von Pompeji vor rund 2000 Jahren. 1,3 Millionen Menschen müssten rechtzeitig evakuiert werden.

Vulkan Vesuv: Daten, Zahlen, Fakten
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Das ist der Vulkan „Vesuv“

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Foto: ZDF/ZDF/Nicolas Brénéol

Die Nachrichtensendung lief gerade, als das Fernsehstudio zu wackeln begann. Der Nachrichtensprecher wahrte die Fassung und sagte: „Gerade ist ein Erdbeben im Gange. Wir sind noch live, bleiben wir ruhig! Entschuldigen Sie bitte, wenn wir die Sendung unterbrechen.“ Das war vor zwei Wochen in Neapel. Die Messinstrumente zeigten eine Stärke des Erdbebens auf der Richterskala von 3,8 an, seit Jahrzehnten hatte die Erde in dieser Gegend nicht mehr so stark gebebt. Der Untergrund der Phlegräischen Felder, des Supervulkans westlich der Millionenstadt Neapel, ist aktiv. „In unrest“, in Unruhe, so nennen es die Experten.

Die Vulkanologen sind sich uneins, wie mit der aktuellen Erdbebenphase umzugehen ist. Allein im August wurden 118 kleinere Erdbeben gemessen, über das Jahr zuvor waren es rund 4500 Erdstöße. Nun hat der anerkannte Vulkanologe Giuseppe Mastrolorenzo vom nationalen Institut für Geophysik und Vulkanologie (INGV) die Diskussion mit seiner Kritik an den aktuellen Evakuierungsplänen angeheizt. „Die gegenwärtigen Erschütterungen könnten bereits die Vorläufer eines Ausbruchs sein, eines Superausbruchs mit einer Energie, die Dutzende Male größer ist als der Ausbruch von Pompeji im Jahr 79 nach Christus“, sagte er.

Damals war der östlich von Neapel gelegene Vesuv ausgebrochen. Bei den westlich unter der Erde liegenden Phlegräischen Feldern handelt es sich hingegen um einen sogenannten Supervulkan mit einer 40 Kilometer großen Magmakammer. Seine letzte Groß-Eruption wird um das Jahr 39.000 vor Christus datiert. Berechnungen zufolge wurden damals 300 Milliarden Kubikmeter Lava und Asche ausgespuckt, die Asche über Europa löste einen vulkanischen Winter aus. Nicht auszudenken, welche Folgen ein solcher Ausbruch für die örtliche Bevölkerung haben könnte.

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Foto: dpa/Osvaldo Cantero

1,3 Millionen Menschen müssten rechtzeitig evakuiert werden, allein in der „roten Zone“ im östlichen Neapel und den Vororten Bacoli, Pozzuoli und Monte di Procida leben rund 500.000 Menschen. „Wenn uns der Ausbruch überrascht, sollten wir wissen, was zu tun ist und wie wir den Menschen helfen können, aber auf all das sind wir heute nicht vorbereitet“, behauptete Mastrolorenzo in der Radiosendung „Overshoot“ des Senders Radio Radicale am 14. September. Es sei „bedenklich“ davon auszugehen, dass man einen Ausbruch 72 Stunden im Voraus vorhersagen könnte.

Die Evakuierungspläne des Zivilschutzes sehen jedoch diesen Zeitrahmen vor. Im Ernstfall müssen die Betroffenen mit eigenen Fahrzeugen, Bussen, Bahn oder Schiffen das Weite suchen. Bislang hatte die Zweigstelle des INGV in Neapel, an den auch ein Observatorium für die Phlegräischen Felder und den Vesuv angeschlossen ist, vor Panikmache gewarnt. „Es gibt keinen Grund für Alarmismus“, sagte Direktor Mauro De Vito dieser Zeitung. Im Wochenrhythmus beraten Vulkanologen und Zivilschützer über die Situation. Die Phlegräischen Felder werden rund um die Uhr mit Messungen untersucht.

2012 begann den Experten zufolge die bis heute andauernde „Unruhe“, es wurde Alarmstufe Gelb ausgerufen. Messungen haben Bodenerhebungen an manchen Stellen von bis zu über einem Meter ergeben. Einer Studie aus dem vergangenen Juni zufolge, die Forscher des University College London und des INGV angefertigt hatten, gibt es Anzeichen für ein Aufbrechen der Vulkan-Oberfläche, das einem Ausbruch vorhergehe. Andere Forscher wie De Vito sehen hingegen keine Anzeichen für aufsteigendes Magma.

Vor fast 2000 Jahren brach der Vulkan Vesuv aus und begrub die damals blühende antike Stadt Pompeji unter Lava, Schlamm und Asche. Der Supervulkan bei Neapel wird mit ihm verglichen (Archivfoto).

Vor fast 2000 Jahren brach der Vulkan Vesuv aus und begrub die damals blühende antike Stadt Pompeji unter Lava, Schlamm und Asche. Der Supervulkan bei Neapel wird mit ihm verglichen (Archivfoto).

Foto: Unsplash/_M_V_

„Wir müssen einen Plan erstellen, der die Evakuierung der Bevölkerung auch während einer bereits begonnenen Eruptionsphase vorsieht“, mahnt Mastrolorenzo. Dies sei „das wahrscheinlichste Szenario“, das bereits im Fall des Pinatubo auf den Philippinen oder des Merapi in Indonesien eingetreten sei. Auf seiner Webseite gibt der italienische Zivilschutz die Wahrscheinlichkeiten eines „kleineren“ Ausbruchs, wie es ihn zuletzt im Jahr 1538 gab, im Vergleich zu anderen Szenarien mit 95 Prozent an. An derselben Stelle heißt es aber auch: „Es ist nicht möglich, mit Sicherheit vorherzusagen, wann wie und wo der nächste Ausbruch stattfinden wird.“

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