Frachter-Haverie vor Englands Küste Strandräuber plündern Ladung

Branscombe (RPO). Der vor der Küste Südenglands havarierte Frachter "MSC Napoli" hat hunderte Strandräuber auf den Plan gerufen. Seit dem frühen Morgen plündern die Menschen die an Land gespülten Container. Die Beute ist attraktiv: Schuhe, Kosmetika, Videokameras, sogar Motorräder liegen am Strand. Die gute Nachricht: Eine Ölpest ist nicht zu erwarten.

Hunderte Strandräuber plündern Container
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Hunderte Strandräuber plündern Container

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Branscombe (RPO). Der vor der Küste Südenglands havarierte Frachter "MSC Napoli" hat hunderte Strandräuber auf den Plan gerufen. Seit dem frühen Morgen plündern die Menschen die an Land gespülten Container. Die Beute ist attraktiv: Schuhe, Kosmetika, Videokameras, sogar Motorräder liegen am Strand. Die gute Nachricht: Eine Ölpest ist nicht zu erwarten.

Die Gefahr, dass das Containerschiff eine der schönsten Küstengebiete Südenglands mit Öl verseuchen könnte, schien dagegen am Montag weitgehend gebannt. Nach Angaben der Küstenwache hielten die Tanks dicht, in denen noch 3500 Tonnen giftiges Schweröl und Diesel lagerten.

Der 16 Jahre alte Frachter war am Donnerstag im Ärmelkanal während des Orkans "Kyrill" in Seenot geraten; die Besatzung musste mit Hubschraubern gerettet werden. Aus Sorge, das 275 Meter lange Schiff könnte auseinanderbrechen, wurde es am Samstag im seichten Gewässer vor der Ortschaft Branscombe kontrolliert auf Grund gesetzt. Nach einem erneuten Sturm am Samstagabend bekam die "MSC Napoli" 30 Grad Schlagseite; rund 200 der fast 2400 Container fielen ins Meer, darunter auch drei der 158 geladenen Container mit gefährlichen Chemikalien. Dutzende von ihnen wurden an die Strände gespült.

Noch in der Nacht machten sich allen Warnungen vor gefährlichen Säuren zum Trotz Dutzende Einwohner der Küstenregion daran, den Inhalt des angespülten Strandguts zu untersuchen. Einige schleppten nur kleine "Souvenirs" davon, wie ein AFP-Korrespondent berichtete. Ein Paar aus Branscombe zeigte leicht verschämt einen Sack vor: "Das ist nur Schminke", versicherte Mandy, "Sie hätte den schönen Flecken hier zugemüllt." Andere waren weniger zurückhaltend.

Plünderer fahren auf Motorrädern weg

Breit lachend fuhren Plünderer auf nagelneuen BMW-Motorrädern davon oder schleppten sie auf Traktor-Anhängern in Sicherheit - vor den Augen der Polizei, die versuchte, Namen und Adresse der Fahrer festzuhalten. "Die Beamten konnten nichts machen, die Leute hatten Schlüssel und Papiere für die Maschinen", erzählte Augenzeuge Jack aus Plymouth.

Zwar konnte der Frachter am Sonntag weitgehend stabilisiert werden. Sollte sich der Wind drehen, könnten aber weitere Container von Bord fallen. Der Reeder engagierte einen Sicherheitsdienst, um weitere Plünderungen zu verhindern - gesetzlich verboten ist das Sammeln von Strandgut nicht. Ein französischer Schlepper mit Spezialmaschinen für die Bergung gefährlicher Stoffe an Bord sollte noch im Laufe des Abends vor der englischen Küste eintreffen.

Britische Experten gingen am Montag fieberhaft daran, das in den Treibstofftanks verbliebene giftige Schweröl und Diesel abzupumpen. Experten begannen am Morgen damit, das Schweröl zu erhitzen, um es für die Bergung leichtflüssiger zu machen. Das Schweröl an Bord des Schiffes sei zurzeit "die Hauptsorge", sagte Küstenwachensprecher Paul Coley. Nach seinen Angaben liefen bisher rund 200 Tonnen Öl vor der Küste von Devon ins Meer und bildeten einen rund acht Kilometer langen Ölteppich. Doch vergrößerte sich dieser im Laufe des Tages nicht mehr.

Nach Einschätzung der Naturschutzorganisation WWF könnte die Havarie dennoch erhebliche ökologische Folgen für die Küste haben, deren Kliffe zum Weltnaturerbe der UNESCO zählen. Auch die Seevögel der Region, darunter Trommellummen und Trauerenten, seien durch das Öl bedroht.

Umweltschutzexperten vermuten unterdessen, dass der Frachter bereits schwere Schäden aufwies, als er im Sturm Leck schlug. Melissa Moore von der britischen Marineschutzgesellschaft sagte der "Times Online", das Schiff sei 1991 in Südostasien mit voller Fahrt auf ein Korallenriff gefahren und habe dort 60 Tage lang festgesessen. Niemand wisse, wie schwer es damals beschädigt worden sei. Normalerweise hätte der Frachter während des Sturms nicht derart schwer beschädigt werden dürfen. "Also muss etwas schiefgelaufen sein, entweder beim Bau, der Reparatur oder der Wartung - vermutlich aber lag es am damaligen Schaden, der entweder nicht ordentlich repariert wurde, oder so schwer war, dass er irreparable war", sagte sie.

(afp)
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