45 Jahre nach seinem Tod Neue letzte Ruhestätte für Spaniens Diktator Franco

Madrid · Was für viele Spanier jahrzehntelang undenkbar war, ist nun Realität: Diktator Franco, dessen „Geist“ den Menschen bis heute Furcht einflößt, ist in seiner Totenruhe gestört worden. Schon setzen einige wieder zum faschistischen Gruß an.

Spanien: Diktator Franco exhumiert - Anhänger protestieren in Madrid
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Franco-Anhänger begleiten Grab-Umzug

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Foto: dpa/Bernat Armangue

Die sterblichen Überreste des spanischen Diktators Francisco Franco sind trotz aller Proteste in seinem gigantischen Mausoleum aus dem Grab geholt worden. Mit einem Hubschrauber wurden die Gebeine des faschistischen Gewaltherrschers (1892-1975) am Donnerstag zu einem „normalen“ Friedhof am Nordrand von Madrid geflogen und dort im Familienkreis bestattet. Die Umbettung war von der sozialistischen Regierung beschlossen worden, weil die gewaltige Grabstätte bislang nicht nur eine Touristenattraktion, sondern auch ein Pilgerort für rechtsextreme Anhänger des Franco-Regimes war. Dennoch galt die Exhumierung lange als unvorstellbar.

Um ein Medienspektakel und Massenproteste zu vermeiden, hatte die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez strengste Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Nur 22 Familienmitglieder durften in der höhlenartigen Basilika dabei sein, als die tonnenschwere Grabplatte mit hydraulischen Hebemaschinen hochgezogen wurde. Unter dieser waren die einbalsamierten sterblichen Überreste am 23. November 1975 mit militärischen Ehren begraben worden. Diese wurden dem Diktator nun bei der Umbettung verwehrt - auch die spanische Flagge durfte den Sarg nicht zieren, als er von Angehörigen aus dem Mausoleum getragen wurde. „Nüchtern, diskret und würdevoll“ sollte die Aktion sein - so hatte es die Regierung veranlasst.

Franco hatte seine eindrucksvolle Grabstätte, über der ein 150 Meter hohes Kreuz thront, noch zu Lebzeiten von 20 000 republikanischen Zwangsarbeitern unter schwersten Bedingungen in einen Felsen der „Sierra de Guadarrama“ treiben lassen. Laut seines Dekrets wollte er damit „der Zeit und dem Vergessen trotzen“. Neben Franco wurden hier auch Zehntausende Soldaten und Kämpfer begraben, die auf beiden Seiten des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939) gefallen waren.

Das staatliche Fernsehen berichtete mit einer stundenlangen Sondersendung über die Umbettung, 150 Medien aus aller Welt waren akkreditiert. Innenaufnahmen aus der Basilika waren aber strengstens verboten. Gegen 13.45 Uhr stieg ein weißer Helikopter mit den Gebeinen an Bord genau vor dem mächtigen Granitkreuz in den blauen Himmel und flog den Toten noch einmal an seinem Mausoleum vorbei.

Am Friedhof El Pardo-Mingorrubio, auf dem auch Francos Witwe Carmen Polo bestattet ist, hatten sich schon seit dem Morgen mehrere Hundert Anhänger des „Caudillo“, des „Führers“, versammelt. Immer wieder riefen sie „Viva Franco“, einige hoben den rechten Arm zum faschistischen Gruß und stimmten Hymnen aus Kriegszeiten an. Auf Spruchbändern war etwa „Lasst Franco in Frieden“ zu lesen. Arbeiter, die mit der Exhumierung beauftragt waren, berichteten von Drohungen.

„Die Regierung, das sind linke Spinner - aber wir kommen wieder“, sagte ein Rentner vor Ort. Als der Hubschrauber nach 15 Minuten Flugzeit über dem Friedhof auftauchte, war ein gewaltiger Aufschrei zu hören. Demonstranten aller Altersklassen hatten wutverzerrte Gesichter und setzten zu wüsten Beschimpfungen gegen die Regierung an. Spanien ist in puncto Franco nach wie vor ein gespaltenes Land.

Während Nostalgiker der Diktatur - wie der Präsident der „Stiftung Francisco Franco“, Juan Chicharro, - den Vorgang ein „surrealistisches Spektakel“ und „Grabschändung“ nannten, feierten Vertreter der Opfervereinigung einen „historischen Tag“. Linkspolitiker hatten gesagt, dass es etwa in Deutschland oder Italien „undenkbar“ sei, ein solches Grab zu unterhalten. Sánchez betonte am Nachmittag, die „Verherrlichung eines Diktators in einem öffentlichen Raum“ sei nicht nur eine „moralische Beleidigung“, sondern auch „eine Anomalie in einer europäischen Demokratie“ gewesen. Dies habe nun ein Ende.

Nicht nur Rechtsextreme und Familienmitglieder waren in den vergangenen Monaten gegen die Exhumierung zu Felde gezogen. Auch Kirchenvertreter und ranghohe Politiker leisteten Widerstand. Oppositionsführer Pablo Casado von der konservativen Volkspartei PP bezeichnete es als „unverantwortlich, bereits geheilte Wunden wieder aufzureißen“. Der Chef der liberalen Ciudadanos, Albert Rivera, warf Sánchez vor, „mit den Knochen (Francos) zu spielen“, um die Spanier mit Blick auf die Parlamentsneuwahl vom 10. November zu entzweien.

Die beiden jungen Politiker spielen auf die bis heute spürbare Kluft in der Gesellschaft in Folge des von Franco gewonnenen Bürgerkrieges und der brutalen Verfolgung der „Rojos“ (Roten) nach Kriegsende an. Vor allem in den Anfangsjahren der Diktatur wurden Hunderttausende verhaftet und nach Schätzungen mindestens 25 000 bis 30 000 Menschen hingerichtet. Eine echte Aufarbeitung der Schreckenstaten gab es nie. Viele Überlebende räumen noch heute Angst vor den „Franquistas“ ein.

So mancher politische Beobachter ist überzeugt, dass Sánchez - der schon kurz nach Amtsantritt im Juni 2018 die umstrittene Exhumierung angekündigt hatte - mit dem historischen Vorstoß Punkte sammeln und zahlreiche linke Wählerstimmen gewinnen wird. Gleichzeitig wird erwartet, dass viele konservative PP-Wähler aus Ärger über die Umbettung zur ultrarechten Partei Vox überwechseln.

General Franco hatte nach dem Ende des Bürgerkrieges bis an sein Lebensende Spanien regiert. Nach seinem Tod leitete König Juan Carlos den Übergang zur Demokratie mit ersten freien Wahlen 1977 ein.

(cbo/kna/cbo)
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