Taifun "Haiyan" stürzt Philippinen ins Chaos Soldaten sollen Plünderungen stoppen

Tacloban · Die Not treibt die Menschen auf den Philippinen zu Verzweiflungstaten. "Ich habe Angst, dass sie sich wegen des Hungers gegenseitig umbringen", sagt ein Augenzeuge. Die Regierung in Manila schickt Soldaten, um die Kontrolle zurückzuerlangen.

Plünderer stürmen die Geschäfte
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Plünderer stürmen die Geschäfte

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Millionen sind betroffen Die Überlebenden in den betroffenen Gebieten warten verzweifelt auf Hilfe. Mehr als eine halbe Million Menschen im ganzen Land verloren ihre Häuser oder mussten fliehen, wie die Vereinten Nationen (UN) bekanntgaben. Viele davon hatten auch am dritten Tag nach dem Taifun "Haiyan" keinen Zugang zu Lebensmitteln, Trinkwasser oder Medikamenten. Von dem Sturm insgesamt betroffen sind nach UN-Angaben etwa 9,5 Millionen Menschen.

Plündern aus Verzweiflung Für die Plünderer hat in dieser Not fast jeder Verständnis. Sie handeln aus der nackten Not heraus. Der Taifun hat ihnen nichts gelassen außer den Kleidern auf der Haut und den Kindern, die um Wasser und etwas zu essen betteln. Schon am Wochenende stürmten verzweifelte Menschen die Supermärkte oder vielmehr deren Trümmer. Auf den Philippinen ist die Anarchie auf dem Vormarsch.

Soldaten greifen ein Das aber will die Regierung in Manila unbedingt verhindern. Hunderte philippinische Soldaten und Polizisten sind daher in der vom Taifun "Haiyan" verwüsteten Stadt Tacloban eingetroffen. Sie sollen die Gewalt der verzweifelten Bevölkerung eindämmen und bei der Versorgung mit Hilfsgütern zu helfen.

Am schlimmsten ist es in Tacloban In der verwüsteten Küstenstadt Tacloban, Hauptstadt der Provinz Leyte, ist die Lage besonders chaotisch. Am Montag verwesten bei Temperaturen von mehr als 30 Grad die zahllosen Leichen in den Straßen. Auf der Suche nach Lebensmitteln plünderten Überlebende die letzten Geschäfte, sogar ein Lastwagen des Roten Kreuzes wurde nahe Tacloban gestoppt und ausgeraubt.

Hunderte Sicherheitskräfte Mehr als 450 Polizisten seien als Verstärkung geschickt worden, sagte der Sprecher der nationalen Polizei, Reuben Sindac. Ein Sprecher der Streitkräfte, Ramon Zagala, bestätigte die Entsendung von hundert Soldaten, um die öffentliche Ordnung in Tacloban wiederherzustellen. Überdies seien 500 Pioniere um die Stadt herum im Einsatz, um Straßen freizuräumen.

Polizisten verschwunden Die Behörden Medienberichten zufolge werden die Einsatzkräfte von außerhalb dringend gebraucht. Die Hälfte der Polizeikräfte vor Ort sei nach dem Taifun nicht zum Dienst erschienen, berichtete am Montagmorgen ein Korrespondent der ARD. Sie kümmern sich offenbar um ihre eigene Not.

"Die Menschen werden verrückt" Präsident Benigno Aquino hatte die Verstärkung der Sicherheitskräfte angeordnet. "Sie sollen Ruhe und Ordnung zurückbringen", sagte der Staatschef nach einem Besuch in der völlig zerstörten Stadt am Sonntag. Ein Anwohner beschrieb die Gewalt: "Die Menschen werden verrückt. Sie plündern die Läden, um Reis und Milch zu finden. Ich habe Angst, dass sie sich wegen des Hungers in einer Woche gegenseitig umbringen", sagte der Lehrer Andrew Pomeda.

Retter überfordert Die Zahl der Opfer droht zu steigen, wenn die Helfer und Behörden die Lage nicht schnell in den Griff bekommen. Dann drohen Seuchen und Gewalt. Doch die Rettungskräfte geraten bereits an ihre Grenzen. Schon das Erdbeben im Oktober hat sie über die Maßen strapaziert. Die Folgen der Überlastung machen sich jetzt auf fatale Weise bemerkbar. Nur drei Transportflugzeuge des Militärs waren vom nahe gelegenen Flughafen in Cebu aus im Einsatz, um das Katastrophengebiet mit dem Nötigsten zu versorgen.

Hilfe aus Deutschland Auch aus Deutschland schickten Hilfsorganisationen Tausende Decken und Planen für Notunterkünfte. Die Kindernothilfe aus Duisburg will mit Hilfe lokaler Partner Kinderschutzzentren aufbauen. Hilfszusagen kamen zudem aus den USA. Das Bündnis "Aktion Deutschland hilft" meldete, ein Airbus der Lufthansa sei mit 25 Tonnen Hilfsgütern an Bord auf dem Weg. Alle rufen dringend zu Spenden auf.

Ganze Orte isoliert Das wahre Ausmaß der Katastrophe ist auch am Tag drei nach dem Taifun noch nicht wirklich zu überblicken. Ein Grund dafür: Vielerorts sind die Kommunikationssysteme zusammengebrochen. Mancher Orte sind so nicht nur physisch, sondern auch technisch von der Außenwelt abgeschlossen.

Das Wetter erschwert die Rettungsarbeiten Der Polizeichef der Provinz Leyte, Elmer Soria, sagte örtlichen Medien, viele Orte entlang der Küsten seien von Rettungskräften noch gar nicht erreicht worden. Daher sei zu befürchten, dass es mehr als 10.000 Tote geben werde. Die Aufräumarbeiten könnten in den nächsten Tagen von weiteren Regenfällen erschwert werden. Ab Dienstag sind heftige Niederschläge vorhergesagt.

Der Sturm "Haiyan" war am Freitag mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 300 Stundenkilometern über die Philippinen gezogen - es war einer der stärksten bisher gemessenen Stürme, die jemals auf Land trafen. Viele verglichen den Sturm, der heftige Wassermassen bewegte, mit dem Tsunami aus dem Jahr 2004 im Indischen Ozean. Mittlerweile bewegt sich der Sturm auf Vietnam zu.

(REU/AFP)
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