Kommunistische Partei willl es nicht mehr knallen lassen Smog - Chinesen sollen weniger böllern

Peking · Die Kommunistische Partei hat die Nase voll vom traditionellen Pulverdampf: Zu den zweiwöchigen Neujahrsfeiern sollen sich die Bürger in den Metropolen mit Feuerwerk zurückhalten. Grund ist die exorbitante Feinstaub-Belastung.

 Neujahr auf Chinesisch: Feuerwerk in Shanghai am Donnerstagabend.

Neujahr auf Chinesisch: Feuerwerk in Shanghai am Donnerstagabend.

Foto: PETER PARKS

Chinesen verschießen zum Neujahrsfest Feuerwerk aus vollen Rohren. Sie wollen nach alter Tradition die bösen Geister des alten Jahres vertreiben. Doch zu diesem neuen "Jahr des Pferdes", das am Freitag begann, hat die Kommunistische Partei (KP) ihr Volk zur Kapitulation aufgerufen: Sie will es nicht mehr krachen lassen. Pekings Bürger rieben sich Anfang der Woche die Augen, als sie auf der Titelseite der Zeitung "Beijing Daily" den Aufruf der Parteiführung lasen. Die forderte alle Organisationen und Mitglieder in der Metropole auf, dieses Jahr vom Knallen abzulassen. Parteimitglieder müssten mit gutem Vorbild vorangehen. Sie und besonders die Funktionäre sollen auch ihre Familienmitglieder anhalten, kein oder nur wenig Feuerwerk zu zünden.

Denn die KP hat die Nase voll vom Pulverdampf. Ihr Appell richtet sich an die rund zwei Millionen Parteimitglieder Pekings und damit an jeden zehnten Stadtbewohner. Die wirklichen Feinde seien nicht die umherschwirrenden Geister des alten Jahres, sondern die in der Luft in erstickender Konzentration vorhandenen Feinstaubpartikel. Die Rauchschwaden des Feuerwerks würden die Belastung noch verschärfen. Im Dezember wurden in der durch Kohleheizung und Autoabgase verpesteten Luft Pekings Staub-Rekordwerte gemessen. Zugleich klagten vier Fünftel der Städte des Landes über Dauer-Smog.

In China dürfen die Bürger traditionell zwei Wochen lang bis zum Ende des Frühlingsfestes am 14. Februar knallen. Das Amt für Meteorologie hat dem nun einen Riegel vorgeschoben. Seit dieser Woche unterteilt es täglich auf einer Skala die Smogwerte nach den vier Stufen eines neuen "Feuerwerk-Index". Bei den Stufen eins und zwei darf der Bürger Feuerwerk zünden, soll sich aber einschränken. Ab Stufe drei oder ab einer Konzentration von mehr als 300 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft gebe das Amt Alarm in den Farben Orange und Rot, schrieb die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Über SMS würden die Bürger aufgefordert, nicht mehr zu knallen. Verstärkte Polizeistreifen würden das kontrollieren; Parteimitglieder sollen ihnen zu Hilfe kommen.

Die Luftverschmutzung in China erreicht schon ohne Feuerwerk permanent exorbitante Werte. Selbst Städte an der Südküste, im Perlfluss- oder Jangtse-Delta meldeten 2013 schweren Smog. Er ist eine der Folgen der forcierten und wild wuchernden Industrialisierung, Modernisierung und Motorisierung Chinas. Zu den Maßnahmen, mit denen Peking gegenzusteuern versucht, gehört nun auch die Einschränkung des Feuerwerks. Die Behörden haben dieses Jahr 1178 Feuerwerk-Buden zugelassen, fast 150 Stände weniger als im Vorjahr. Sie haben ein Viertel weniger Feuerwerk zum Verkauf erhalten als 2013. Zuvor, in den Jahren zwischen 2008 und 2012, war die Verkaufsmenge allein in der Hauptstadt um 75 Prozent gewachsen, bevor sie bereits vergangenes Jahr wegen Brandgefahr leicht reduziert wurde.

Passionierte Anhänger des Neujahrsfeuerwerks lassen sich allerdings nicht so leicht vom traditionsreichen Hobby abbringen. Das ergaben Zufallsumfragen vor einigen der Feuerwerksbuden. "Jetzt knallen wir erst recht", sagten einige. An Warnungen fehlt es nicht: Rote Zettel liegen aus, dass es untersagt ist, bei Smog der Stufe Orange weiter Feuerwerk zu zünden. Wer mehr als fünf Kisten Kracher kaufen will, muss sich ausweisen. Ein Verkäufer sprach dennoch von guten Geschäften. Ein Drittel des Sortiments — von Chinakrachern bis Leuchtraketen — sei zudem "Umwelt-Feuerwerk". Er erklärte auch gleich das neue Modewort: Die Knallkörper explodierten mit "weniger Pulverdampf und Rauch als früher".

Das Für und Wider von Feuerwerks-Verboten trieb vergangene Woche in der Debatte beim Onlineportal Sina.com und beim twitterähnlichen Kurznachrichtendienst Weibo mehrere Millionen Teilnehmer um. Einige Blogger schrieben, sie hätten schon 2012 vom Feuerwerk-Index gehört. Nur habe er das genaue Gegenteil von heute bedeutet: Die Propaganda habe die Pekinger gefeiert, weil sie es immer lauter krachen ließen, während die gesamte übrige Welt in Kater- und Krisenstimmung verfallen sei.

2014 aber ist alles anders: Die alten Geister werden nur noch mit gebremster Kraft vertrieben. Eigentlich kein gutes Omen für das neue "Jahr des Pferdes".

(RP)
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