Erfolgsvideo im Netz löst tausende Reaktionen aus Shoshana Roberts wehrt sich gegen Sexismus — und erhält jetzt Morddrohungen

In einem Video zeigt die 24-jährige Shoshana Roberts den alltäglichen Sexismus von New York. 108-mal belästigten sie Männer mit dumpfen Sprüchen oder kamen ihr unangenehm nahe. Der Clip eroberte blitzartig das Internet. Manche Reaktionen sind ein Fall für die Polizei.

 Shoshana Roberts äußert sich nach dem viralen Erfolg ihres Videos nun auch öffentlich.

Shoshana Roberts äußert sich nach dem viralen Erfolg ihres Videos nun auch öffentlich.

Foto: ap

Schauspielerin Shoshana Roberts staunt selbst ein bisschen über die große Resonanz, die ihr Video ausgelöst hat. Mehr als 21 Millionen Abrufe hat es inzwischen. Dabei wurde es erst am Dienstag ins Netz gestellt. In dem knapp zweiminütigen Film ist in Ausschnitten zu sehen, was sie angeblich in zehn Stunden auf den Straßen New Yorks erlebte. Demnach sind junge Frauen in der US-Metropole einem Dauerbombardement von dumpfen Sprüchen, zotigen Bemerkungen und sexueller Anmache ausgesetzt.

108-mal sei sie während ihres Experiments so angesprochen worden, heißt es über das Video, das Roberts zusammen mit der Frauen-Organisation "Hollaback!" ("Schrei zurück") gedreht hat. Dabei ist die 24-Jährige nicht einmal besonders aufreizend gekleidet. Sie trägt eine enge schwarze Hose und ein ein neutrales schwarzes Shirt, die lockigen Haare sind offen, sie schweigt die ganze Zeit.

Heimlich gedrehte Aufnahmen zeigen ihre Begegnungen mit Männern. Auch deren Sprüche sind zu hören. "Oh, Gott segne dich, Mami", heißt es da, während ihr einer hinterherschaut. "Hey Hübsche, jemand findet Dich schön. Du solltest dankbarer sein!" oder "Willst Du nicht reden? Bin ich zu hässlich für Dich?" rufen die Männer. "Die unzähligen Pfiffe haben wir noch nicht einmal mitgezählt", heißt es am Ende.

Im Interview mit Reuters erzählt sie, das sei noch längst nicht alles gewesen. In die zwei Minuten hätte einfach nicht alle Erlebnisse aus den zehn Stunden hineinpacken können. Im Monat davor sei sie auch betatscht worden. Sie selber sei Schauspielerin und betreibe seit Jahren Kampfsport. Was andere Frauen, die sich wehrloser fühlen, durchmachen, mag sie sich gar nicht vorstellen.

Die Resonanz auf das Video ist gewaltig und erinnert ein wenig an den Widerhall in der #Aufschrei-Debatte in Deutschland. Am Dienstag wurde der Film bei Youtube veröffentlicht. Seitdem haben sich darunter mehr als 90.000 Kommentare angesammelt. Die meisten freundlich oder schockiert. Aber manche auch bedrohlich, aggressiv.

Einige Männer sehen ihre Freiheitsrechte beeinträchtigt

Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" erhielten Roberts und die Organisation "Hollaback", die sich gegen Belästigung von Frauen im Alltag zur Wehr setzt, sogar Todes-Drohungen und Vergewaltigungsdrohungen. Die Behörden seien informiert. Es sind nur wenige Fälle unter Zehntausenden Reaktionen. Doch sie lassen erahnen, dass es etliche Männer als eine Art Grundrecht ansehen, Frauen mit sexuellen Bemerkungen anzubaggern.

"Wir hatten so viele Leute dabei, die uns bestätigten und sagten 'Gott sei Dank, das ist genau das, was ich auch jeden Tag erlebe' oder schockiert waren", erzählt Hollaback-Mitgründerin Emily May dem Blatt. "Aber wir hatten auch diese überaus heftigen Gegenreaktionen von Leuten, die uns grausame Sachen an den Kopf warfen und Gewalt androhten."

"Hollaback!" ist umstritten

Einige Männer verhöhnten Roberts, sie sei zu hässlich, nur so wenig angemacht worden zu sein. Andere beriefen sich auf vermeintliche Grundrechte, in einem freien Land dürfe ein Mann ja wohl eine Frau ansprechen. Diskussionen lösten insbesondere eher harmlose Bemerkungen wie "Guten Morgen!" oder "Mach dir einen schönen Abend" aus. Das, so meinen zahlreiche Nutzer, könne wohl kaum als Belästigung gewertet werden. Auch Frauen üben derartige Kritik.

Hinzu kommt, dass auch die Organisation "Hollaback!" nicht unumstritten ist. Grund: Sie scheut im Kampf gegen Alltagssexismus auch vor drastischen Mitteln nicht zurück. Auf der Webseite der laut eigenen Angaben in 26 Ländern aktiven Organisation können Frauen Fotos von Männern hochladen, die sie belästigt haben. Kritiker bemängeln, dass "Hollaback!" lediglich bloßstelle, ohne das Verhalten der Männer grundsätzlich zu ändern zu wollen.

Eine erste Parodie

Entstanden ist der Film auf Initiative des Filmemachers Rob Bliss. Seine Freundin hatte ihm immer wieder davon erzählt, was sie an Belästigungen auf der Straße erlebt hatte. Mit seinem Film wollte Bliss nach eigenen Angaben zeigen, wie es sich wirklich anfühlt, auf der Straße so behandelt zu werden.

Für Aufsehen sorgte seit Mittwoch eine erste Parodie. Die Betreiber der Website "Funny or die" veröffentlichten einen Clip, in dem nicht eine Frau, sondern ein Mann zehn Stunden lang durch die Straßen von New York läuft. Auch er wird immer wieder angequatscht, erhält dabei aber durchweg Komplimente, Jobangebote, wird am Ende sogar wie ein König auf Hände getragen.

Ob jemand angesichts der Mordddrohungen gegen Shoshana Roberts darüber noch unbekümmert lachen kann, sei dahingestellt.

(pst)
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