Lego für den guten Zweck Ein Mini-Selenskyj für 100 Dollar

Naperville · Für den guten Zweck verkaufen Garagenfirmen Selenskyj-Figürchen und Molotow-Cocktails, Kampfjets und Panzer aus Steinen des Marktführers Lego – der sich dem Pazifismus verpflichtet fühlt.

 Den „Geist von Kiew“ gibt es als Figur aus Legosteinen – für rund 50 Euro.

Den „Geist von Kiew“ gibt es als Figur aus Legosteinen – für rund 50 Euro.

Foto: Brickmania.com

Joe Trupia hat Humor und sein Hobby zum Beruf gemacht. Der 45-Jährige aus Naperville nahe Chicago bedruckt und kombiniert Legosteine so neu, dass etwa das Drogenlabor aus dem TV-Hit „Breaking Bad“ entsteht, oder ein Strip-Club mit dem Namen „Zentrum für darstellende Kunst”. Was in der puritanischen Welt des Großherstellers aus Dänemark nicht vorkommt, erschafft er und bringt es in Kleinserien unters Volk. Vor allem verkauft seine Garagenfirma „Citizen Brick” charmante Miniaturen von Popkultur-Helden wie Bob Ross, den legendären TV-Maler mit der beruhigenden Stimme und der Afro-Frisur. Im März aber fühlte sich der Künstler Trupia genötigt zu einem Ausflug in die Weltpolitik, gegen seine Ohnmacht und für den guten Zweck: Eine Figur des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bot er für 100 Dollar an, dazu winzige Molotow-Cocktails mit der ukrainischen Flagge für jeweils 20 Dollar. Der „Washington Post” sagte Trupia über Selenskyj: „Dieser Kerl hätte mit einem Koffer Bargeld das Land verlassen können. Aber er ist geblieben. Seine Standhaftigkeit und die Hoffnung, die er seinem Volk vermittelt, beeindrucken mich.”

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (etwa 100 Euro; vergriffen).  Foto: CitizenBrick

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj (etwa 100 Euro; vergriffen). Foto: CitizenBrick

Foto: CitizenBrick.com

Innerhalb weniger Stunden war der komplette Bestand vergriffen – den wegen der bewusst extrem großen Marge enormen Profit von 150.000 Dollar spendete Trupia an die Hilfsorganisation Direct Relief. Ein gewisses Maß an Kritik entzündete sich an der angeblichen Verherrlichung oder jedenfalls Verniedlichung des Molotow-Cocktails. Für Trupia rechtfertigt das Mittel den Zweck, zumal angesichts der mutmaßlichen Menge an Kriegsverbrechen der Invasionsarmee im einseitigen russischen Angriffskrieg. Dennoch: „Die Ironie, dass ich die Spielzeugversion einer Brandbombe verkaufe, um Medikamente für Flüchtlinge zu bezahlen, ist mir durchaus bewusst.”

Der „Washington Post” sagte Trupia, er habe Mails von aus der Ukraine geflüchteten Kindern bekommen, mit Inhalten wie: „Ich musste meine Lego-Sammlung zurücklassen. Könnten Sie mir eine Selenskyj-Figur reservieren, bis wir den Krieg gewonnen haben?” Doch seine Aktion aus dem März blieb bislang einmalig; die notwendigen Einzelteile bekommt er nicht in praktikablen Mengen; weder olivgrüne Figuren-Teile noch die winzigen Flaschen, die pro Stück weniger als 50 Cent kosten.

Lego beliefert ihn nicht. Der dänische Spielzeug-Riese, der seinerseits rund 15 Millionen Euro für die Ukraine gespendet hat, toleriert zwar Firmen, die seine Produkte nach eigenen Regeln weiterverarbeiten, pocht aber auf deutliche Distanzierung. Denn Pazifismus ist Teil der Firmen-DNA: Lego-Bausätze enthalten zwar Ritter mit Schwertern, Cowboys mit Revolvern und „Star Wars”-Charaktere mit Laserwaffen aller Kaliber. Zeitgenössische Waffen aus real existierenden Konflikten allerdings gibt es von Lego aufgrund einer Selbstverpflichtung eben nicht.

 Die „Heilige Javelin“ samt der gleichnamigen Anti-Panzer-Rakete (etwa 60 Euro).

Die „Heilige Javelin“ samt der gleichnamigen Anti-Panzer-Rakete (etwa 60 Euro).

Foto: Brickmania.com

In diese Marktlücke stoßen Firmen wie „Brickmania“ aus der US-Großstadt Minneapolis. Inhaber Dan Siskind hat gegenüber CNN einmal gesagt, dass ihm Lego netterweise explizit erklärt habe, wie sie „keinen Ärger“ miteinander bekämen. Über den Kern seines Geschäfts macht er sich aber keine Illusionen: „Wir nehmen Zeug, aus dem man keine Militär-Sachen machen sollte, und machen Militär-Sachen draus.“

Seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine lockt Siskind Fans von Militär-Modellen aus aller Welt ebenfalls mit Spezial-Angeboten für den guten Zweck. 15 Produkte zum Krieg in der Ukraine hat „Brickmania” im Angebot, von der Mini-Landesflagge ohne (1,50 Euro) und mit Dreizack-Wappen (5 Euro) über eine Figur des von der Propaganda erfundenen Piloten „Ghost of Kiew” (50 Euro) und dessen Jet in klein (93 Euro) und groß (633 Euro) über diverse Panzer bis hin zum Modell des größten Flugzeugs der Welt, dessen letztes Exemplar in den ersten Kriegstagen zerstört worden war: Die Miniatur-Version der Antonow An-225 Mriya für den stolzen Preis von 1250 Euro besteht aus rund 2000 Lego-Teilen. Die Profite aus dem Verkauf dieser Modelle werden gespendet – bislang hat „Brickmania“ nach eigenen Angaben 150.000 Euro unter anderem an das Ukrainische Rote Kreuz gespendet, Tendenz steigend.

Es geht auch ohne Militär: „Let‘s build Ukraine“ verkauft Mini-Modelle etwa des Parlaments aus Legosteinen für den guten Zweck.

Es geht auch ohne Militär: „Let‘s build Ukraine“ verkauft Mini-Modelle etwa des Parlaments aus Legosteinen für den guten Zweck.

Foto: letsbuildukraine.co

Wer trotz allem mit dem Militärischen fremdelt, könnte bei „Let’s build Ukraine“ („Lasst uns die Ukraine bauen“) fündig werden. Iryna Stepanko und Ahsan Rahi, ein US-Amerikaner, der vor dem Krieg drei Jahre in der Ukraine gelebt hatte, bieten kunstvolle Miniaturen der wichtigsten Gebäude der Ukraine an: das Unabhängigkeitsdenkmal vom Majdan-Platz und das Parlament, die Andreaskirche und das Schauspielhaus von Mariupol. Die Kosten betragen 85 bis 105 Euro. Auf der Website erzählt Iryna Stepanko von ihrer Flucht aus Kiew und beschwört die „strahlende Zukunft endloser Generationen von Ukrainern“. Ahsan Rahi betont, dass die Ukrainer dieselben Werte hochhielten wie die Amerikaner: „Gleichheit, Individualismus, Familie und der Glaube daran, dass jeder die Freiheit haben sollte, seinen eigenen Weg zu wählen“. Zudem gehe ihm als alleinerziehender Vater gerade das Leid der Kinder nahe.

Der Künstler Joe Trupia übrigens hat seine letzten 50 Selenskyj-Figuren reserviert, um sie Ukrainern zu schicken, wenn der Krieg gewonnen ist. „‘Wenn‘, nicht ‚falls‘, so steht es in jeder einzelnen Mail von dort.“

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