Papst Franziskus begeistert die Jugend in Rio "Seid keine Spießer! Baut eine bessere Welt!"

Rio de Janeiro · Papst Franziskus hat die junge Generation in einer flammenden Ansprache aufgefordert, mutig für eine bessere Welt zu kämpfen. Junge Menschen sollen nicht feige sein. "Mischt Euch ein! Ihr seid die Erbauer einer besseren Welt", sagte bei der Nachtwache vor dem Abschluss des Weltjugendtages in Rio de Janeiro zu.

 Keine Berührungsängste: Der Papst trug am Wochenende einen Kopfschmuck der Pataxo, einem Urweinwohner-Stamm aus Brasilien.

Keine Berührungsängste: Der Papst trug am Wochenende einen Kopfschmuck der Pataxo, einem Urweinwohner-Stamm aus Brasilien.

Foto: dpa, Osservatore Romano , Handout

Alles scheint nur eine Frage der Motivation: "Bewegt die Arme und öffnet sie wie die Jesus-Statue auf dem Corcovado", ruft der brasilianische Rapper Fly den Bischöfen zu. Und siehe da: Die teils schon ergrauten kirchlichen Würdenträger mit Scheitelkappe und Soutane tanzen zusammen mit den Jugendlichen zur Rockmusik. "Flashmob" heißt die Choreographie, die der Rapper mit der Menschenmenge am Strand von Copacabana einstudiert, bevor der Papst kommt. Ist das schon der Franziskus-Effekt? Oder folgen die Bischöfe einfach nur der päpstlichen Aufforderung der Vortage zum Dialog zwischen den Generationen?

Höhepunkt des Glaubensfestes

So oder so: Die sogenannte Vigil, die "Gebetswache" am letzten Abend des Weltjugendtags, ist traditionell der atmosphärische Höhepunkt des Glaubensfestes. Rund zwei Millionen Menschen haben sich nach Vatikanangaben am Strand von Copacabana eingefunden, um gemeinsam mit dem Papst zu beten. Das Ganze hat etwas von einem Happening, einem katholischen Woodstock. Viele Jugendliche sind mit Iso-Matte, Schlafsack und Gepäck gekommen. Sie übernachten am Strand, wo am Sonntagmorgen der Abschlussgottesdienst des 28. Weltjugendtags stattfinden soll.

Die meisten dürften kaum traurig darüber sein, dass sie an diesem Abend nicht wie ursprünglich vorgesehen auf den "Campus Fidei" im 50 Kilometer von Rio entfernten Guaratiba beten. Die Feier war am Mittwoch kurzfristig an den Strand von Copacabana verlegt worden, nachdem schwere Regenfälle das Gelände in den vergangenen Tagen aufgeweicht hatten. Seit dem Morgen ist ein 9,5 Kilometer langer Pilgerweg von Rios Hauptbahnhof zur Copacabana für den Verkehr gesperrt; seit Mittag dürfen auf der Strandpromenade keine Autos mehr fahren. Die Metro ist zur Gratisbenutzung freigegeben - und die Organisatoren haben versucht, noch möglichst viele Toilettenhäuschen an die Copacabana zu verfrachten.

"Ihr seid keine Teilzeit-Christen, keine Spießer!"

Zu dem unkonventionellen Ambiente passt die Botschaft des Papstes:
"Ihr seid keine Teilzeit-Christen, keine Spießer, nicht nur Fassade, sondern authentisch." Er sei sich sicher, dass die Jugendlichen nicht in einer Illusion von Freiheit leben wollten, die sich von den Moden und Interessen des Augenblicks treiben lasse: "Ich weiß, dass ihr das Große wollt, endgültige Entscheidungen, die dem Leben vollen Sinn geben. Jesus kann euch dies geben."

Die argentinischen Jugendlichen hatte Franziskus vor zwei Tagen noch aufgerufen, "Durcheinander" in Pfarreien, Bistümern und in der Gesellschaft zu veranstalten. Nun schlug er eher nachdenkliche Töne an: "Aufmerksam" habe er die Nachrichten über die vielen Jugendlichen verfolgt, die in vielen Teilen der Welt auf die Straßen gegangen seien, um ihrem Wunsch nach einer gerechteren und brüderlicheren Gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Es bleibe aber die Frage, so Franziskus: "Wo soll man beginnen? Welche sind die Kriterien für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft?" Er zitiert schließlich Mutter Teresa, die auf die Frage, was sich in der Kirche ändern müsse, geantwortet hatte: "du und ich!"

Zelten an der Copacabana verboten

Wie viele Jugendliche das einmalige Angebot von Rios Bürgermeister nutzen, am wohl berühmtesten Strand der Welt zu übernachten - was sonst streng verboten ist - war zunächst unklar. Am gleichen Ort findet am Sonntagmorgen (Ortszeit) auch der Abschlussgottesdienst mit dem Papst statt. Auf jeden Fall dürften es weniger als jene 900.000 sein, mit denen für das ursprüngliche Gelände außerhalb gerechnet worden war - zumal Zelten an der Copacabana auch heute verboten blieb.

Beim Besuch in einem Armenviertel, einer Favela, hatte Franziskus am Donnerstag alle, die über "mehr Ressourcen" verfügen, aufgerufen, sich für eine solidarischere Welt einzusetzen. Einen Anfang können die Jugendlichen am Sonntag machen: Die Weltjugendtags-Organisatoren haben sie aufgerufen, ihre Schlafsäcke vor der Abreise an Obdachlose aus Rio zu verschenken.

(KNA)
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