Aus Angst vor der Schweinepest Dänemark baut 70 Kilometer langen Grenzzaun zu Deutschland

Padborg/Kopenhagen · Mit einem Zaun entlang der Grenze zu Schleswig-Holstein will Dänemark die Afrikanische Schweinepest vom Königreich fernhalten - dabei gibt es in Deutschland noch gar keine Fälle. Warum sich die Skandinavier dennoch für den Bau entschieden haben.

 Ein Wildschwein hinter einem Zaun (Symbolfoto).

Ein Wildschwein hinter einem Zaun (Symbolfoto).

Foto: dpa/Carsten Rehder

Nun kommt das umstrittene Bauwerk doch. 70 Kilometer lang und etwa 1,50 Meter hoch wird der Zaun, der deutsche Wildschweine daran hindern soll, über die Grenze von Schleswig-Holstein nach Dänemark überzusiedeln. So will sich das Königreich vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP) schützen. Der Stahlzaun reicht einen halben Meter weit in den Boden, damit sich die Tiere nicht darunter durchwühlen können.

Als Ende März 2018 die Mitteilung kam, Dänemark prüfe die Errichtung eines Zauns an der Grenze, dachten nicht wenige an einen vorgezogenen Aprilscherz. Doch die Dänen meinen es ernst: Am Montagmorgen sollten bei Padborg (Pattburg) knapp 15 Kilometer westlich von Flensburg die ersten Pfosten gesetzt werden. Noch im Laufe des Jahres soll der Zaun fertiggestellt sein und dann entlang der kompletten Landgrenze zwischen den beiden Länden verlaufen, unterbrochen von zwanzig permanenten Durchlässen, etwa für den Verkehr.

Die dänische Regierung will mit dem Bauvorhaben die für das Land sehr wichtige Schweinezucht schützen. Angst geht um vor dem Erreger der Afrikanischen Schweinepest. Wenn der sich auf dänische Bestände überträgt, müssten nach dänischen Regierungsangaben alle Ausfuhren in Nicht-EU-Länder gestoppt werden.

Es geht um eine nicht unbeträchtliche Summe: Laut Umweltministerium in Kopenhagen exportierten dänische Bauern 2016 Schweine für umgerechnet rund vier Milliarden Euro, davon 1,5 Milliarden Euro außerhalb der EU. „Das spielt eine wichtige Rolle für unsere Wohlfahrtsgesellschaft und für Arbeitsplätze in Dänemark“, sagte Umweltminister Jakob Ellemann-Jensen dazu.

Für den Menschen ist das Virus ungefährlich, es drohen aber Folgen für Landwirte und Export. Betroffen sind in Europa bislang vor allem osteuropäische Staaten und das Baltikum - sowie seit September vorigen Jahres Belgien, wo der Erreger bei Wildschweinen nur etwa 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt nachgewiesen wurde. Wie er dahin gekommen ist? Das sei noch unklar, sagt die Sprecherin des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI), Elke Reinking. Es gebe mehrere Theorien. Das FLI ist das Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit. Seinen Hauptsitz hat es in Greifswald.

Bisher ist die Tierseuche, gegen die es keinen Impfstoff gibt, nicht in Deutschland angekommen. Das Risiko eines Eintrags nach Deutschland sei aber nach wie vor hoch, sagt Reinking. „Entwarnung geben wir auf keinen Fall.“

Der Stahlzaun an der Grenze soll nach Wunsch der dänischen Regierung verhindern, dass deutsche Wildschweine nach Dänemark übersiedeln. Das hält unter anderen die landwirtschaftspolitische Sprecherin der Dänischen Volkspartei, Lise Bech, für richtig. Sie verweist darauf, dass in der dänischen Region in Grenznähe besonders viele Schweine gezüchtet würden. „Wenn die Krankheit nach Deutschland gelangt, ist es für uns mit dem Zaun einfacher, sie zu kontrollieren.“ Ein Blick Richtung Belgien reiche, um zu sehen, wie wichtig der Zaun sei.

Dieses Argument wird nicht von allen Seiten geteilt. Im Gegenteil. So nennt zwar auch Schleswig-Holsteins Umwelt- und Landwirtschaftsminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) die ASP „eine ernstzunehmende Bedrohung für die Tiere und den Schweinemarkt“. Er schiebt aber gleich hinterher: „An der Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit eines Zaunes zwischen Dänemark und Schleswig-Holstein haben wir allerdings erhebliche Zweifel.“ Das Virus breite sich vor allem über Menschen aus - durch Tiertransporte, Jagdreisen, infizierte Lebensmittel. Wichtig seien daher beispielsweise strenge Hygienemaßnahmen und Aufklärung.

Das FLI hält die Übertragung der Tierseuche über Wildschweine ebenfalls nicht für das größte Risiko. „Der größte Risikofaktor ist der Mensch“, sagt FLI-Sprecherin Reinking.

Auch in der deutschen Grenzgemeinde Harrislee ist die Unzufriedenheit mit dem Zaun groß. Die Gemeinde hat sich im Sommer in einer Erklärung bereits sehr deutlich gegen den Zaunbau ausgesprochen. „Wir halten das für nicht verhältnismäßig“, sagt Bürgermeister Martin Ellermann. Er befürchtet Auswirkungen auf die Fauna in Grenznähe trotz der Schlupflöcher für Kleintiere von einer Größe von 20 mal 20 Zentimetern, die es alle hundert Meter im Zaun geben soll.

Die Umwelt werde keine Schäden davontragen, darauf werde geachtet, versichert hingegen Bech von der Dänischen Volkspartei. Tierschützer befürchten aber, dass der Zaun auch Wölfe, Otter und Goldschakale in ihrem natürlichen Lebensraum stören könnte. „Wir glauben, dass der Zaun eine wirklich schlechte Idee ist“, sagt der Generalsekretär von WWF Dänemark, Bo Øksnebjerg. Der Zaun sei schlecht für die Natur und werde nicht dafür sorgen, Wildschweine außer Landes zu halten. „Das wird das Problem nicht lösen.“ Es handele sich bloß um Symbolpolitik.

Øksnebjerg sorgt sich, dass viele Tierarten die 20 permanenten Durchlässe im Zaun für Straßen und Wege nicht erreichten, während das für die Wildschweine kein Problem sei. „Die können 35 Kilometer pro Stunde schnell rennen. Ein Loch werden sie so innerhalb von ein paar Minuten finden.“

Auch im Internet formiert sich Widerstand von Menschen aus der Grenzregion. Der Jäger Hans Kristensen von der auf Facebook aktiven Initiative „Vildsvinehegn - nej tak“ (Wildschweinzaun - Nein danke) sagt zu dem Zaun, es handele sich um ein völliges Missverständnis. „Das ist eine politische Entscheidung und keine, die aus fachlicher Sicht Sinn macht.“ Ein dänischer Interessenverband, der Dänische Landwirtschafts- und Lebensmittelrat, sieht das anders. Dessen Direktor Jens Munk Ebbesen warnt: „Ein infiziertes Wildschwein würde ausreichen, um den Export von Dänemark in Länder außerhalb der EU zu stoppen.“ Er ist sich sicher: „Wir brauchen diesen Zaun definitiv.“

Den Harrisleer Bürgermeister Ellermann stört, dass gerade in einer Region, die wegen ihres grenzüberschreitenden Zusammenlebens für viele zum Vorbild geworden ist, wieder eine optische Grenze manifestiert wird. Zusammen mit den vor einigen Jahren von Dänemark wiedereingeführten Grenzkontrollen werfe das kein gutes Licht auf die Region. „Das ist eher kontraproduktiv.“

(lukra/dpa)
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