„Schlimmstes Unwetter seit 50 Jahren“ Schnee-Chaos legt Madrid lahm

Madrid · „Jahrhundert-Schnee“ beschert Spanien den dramatischsten Wintertag seit langer Zeit – Verzweiflung über Todesopfer auf der einen Seite, Spaß auf der anderen. Und eine „wundersame Geburt“.

Madrid verschwindet im Schnee
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Foto: AFP/BENJAMIN CREMEL

Spanien hat das schlimmste Winterchaos seit 50 Jahren erlebt: Sturmtief „Filomena“ forderte vier Menschenleben und legte vor allem Madrid mit historisch heftigem Schneefall lahm. Auf den Ringautobahnen und Landstraßen der Hauptstadtregion hielt der bis zu 60 Zentimeter hohe Schnee mehr als 1500 Menschen in Autos, Bussen und Lastwagen fest.

Bei Temperaturen von bis zu fünf Grad minus wurden einige Menschen erst am späten Samstagabend nach mehr als 24 Stunden befreit - wie etwa die 58-jährige Giovanna Alfaro. „Ich hatte zum Glück genug Benzin und konnte immer wieder die Heizung meines Wagens anmachen. Bei einigen war der Tank bald leer“, erzählte sie der Zeitung „El País“.

Sie habe gesehen, wie vor ihr ein Mann mit Unterkühlung und eine Familie mit vielen Kindern in Sicherheit gebracht worden seien. Andere Betroffene berichteten „El País“ von einer „dramatischen Nacht“ - sie hätten weder Wasser noch Decken oder Lebensmittel bekommen.

„Der Jahrhundertschnee legt Madrid lahm“, titelte die Zeitung „ABC“. Verkehrsminister José Luis Ábalos sprach von einer „nie dagewesenen Notlage“, sein Innenressort-Kollege Fernando Grande-Marlaska vom „schlimmsten Unwetter seit 50 Jahren“.

Spanien trauerte am Sonntag um die Todesopfer: In Zarzalejo im Nordwesten der Region Madrid wurde ein 54-Jähriger tot geborgen, dessen Auto Schneemassen begraben hatten. Ein Obdachloser erfror in einem Park von Madrid. In Fuengirola in der südlichen Provinz Málaga starben ein Mann und eine Frau, als ihr Fahrzeug bei Überschwemmungen von Wassermassen mitgerissen wurde.

In Madrid fielen 30 Stunden lang dicke weiße Flocken vom Himmel, die Hauptstadt wurde ganz in Weiß getaucht. Der starke Schneefall hörte zwar am Samstagabend auf, eine Entwarnung gab es aber noch nicht. Grande-Marlaska rief die Spanier dazu auf, nach Möglichkeit auch am Sonntag zu Hause zu bleiben.

Mit gutem Grund: Vor allem im besonders betroffenen Madrid knickten am Wochenende unter der Last des Schnees immer wieder große Bäume um. Die Behörden warnten, wegen der in den nächsten Tagen weiter sinkenden Temperaturen könnten sich auf Dächern liegende Schneemassen in schwere, gefährliche Eisblöcke verwandeln. In Madrid wurde für die Nacht auf Dienstag eine rekordverdächtige Kälte von minus 13 bis 14 Grad erwartet.

Tausende „Madrileños“ gingen dennoch in der Stadt und den umliegenden Gemeinden der Hauptstadtregion auf die nahezu autoleeren Straßen, um sich Schneeballschlachten zu liefern oder staunend spazieren zu gehen. Die Menschen waren auf der bis zu 60 Zentimeter dicken Schneedecke teils auf Langlaufskiern und Schlitten unterwegs. Ein Mann ließ sich von fünf Huskys ziehen und wurde zum Internet-Hit.

Viele andere litten aber in Madrid unter dem Chaos. Der Flughafen und die S-Bahn stellten den Betrieb zunächst bis Sonntagmittag komplett ein. Die Eisenbahngesellschaft Renfe strich viele Verbindungen. In zahlreichen Häusern und Wohnungen gefror das Wasser in den Leitungen, Strom und Heizung fielen aus. Die ohnehin nur schleppend gestartete Corona-Impfkampagne wurde zusätzlich behindert.

Nicht nur Madrid wurde von „Filomena“ ins Chaos gestürzt. Auch die Nachbarregion Kastilien-La Mancha war vom Schneesturm schwer betroffen. In Regionen ohne Schnee brachte das Tief im Zusammenspiel mit anderen Wetterphänomenen Unwetter, starke Windböen, Dauerregen und hohe Wellen. Im ganzen Land wurden am Samstag rund 400 Autobahnen, Land- und andere Straßen gesperrt. Fußballspiele wurden abgesagt. Am Sonntag besserte sich die Lage. Aber noch in vier der insgesamt 50 Provinzen galt höchste Alarmstufe.

„Filomena“ sorgte auch für einen Rekord: In Vega de Liordes in der Provinz León - rund 400 Kilometer nördlich von Madrid - wurde schon am Donnerstag mit minus 35,8 Grad laut Meteorologen die tiefste Temperatur verzeichnet, die jemals in Spanien gemessen wurde.

Doch es gab auch ein tröstliches Ereignis: Die kleine Clara kam im dichten Schneetreiben auf einer Madrider Autobahn zur Welt. Eine „wundersame Geburt“, jubelte ein TV-Reporter. Die Mutter (34) und ihr Mann hatten sich in der Nacht zum Samstag verzweifelt ins Auto gesetzt, um ins Krankenhaus zu fahren, weil der bestellte Krankenwagen auch nach mehreren Stunden nicht kam. Der spanische Notfalldienst brachte das glückliche Trio sicher ins Krankenhaus.

(mba/dpa)
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