Stierkampf in Spanien Die Toreros und der Tierschutz

Madrid · Immer weniger Spanier befürworten den Stierkampf. Von einem Verbot des Spektakels ist das Land aber weit entfernt. Wie Toreros gegen den Untergang ihrer umstrittenen Tradition kämpfen.

  Der französische Stierkämpfer Sebastian Castellar in der Stierkampfarena  Coliseo Balear von Palma de Mallorca.

Der französische Stierkämpfer Sebastian Castellar in der Stierkampfarena Coliseo Balear von Palma de Mallorca.

Foto: dpa/Clara Margais

Wer mit dem Auto nach Spanien kommt, kann sie nicht übersehen: Die riesigen Stiere, die auf 14 Meter hohen Werbetafeln an den spanischen Autobahnen prangen. Die Stiere sind Spaniens berühmtestes Markenzeichen. Doch zugleich sind sie Teil einer umstrittenen Tradition. Nun, zur Osterzeit, beginnt wieder die Stierkampfsaison, in der die Toreros nicht nur gegen die 500 Kilo schweren Bullen, sondern auch gegen den Untergang ihrer Zunft kämpfen.

„Stierkampf ist keine Kultur, sondern Folter“, skandieren Tierschützer, die sich in Madrid, Sevilla, Malaga oder auf Mallorca mit Protestplakaten vor den Arenen postieren. Den Toreros weht der Wind immer heftiger ins Gesicht. Nach der Statistik des spanischen Kulturministeriums geht das Interesse an dieser blutigen „Fiesta“ zurück: Nur noch acht Prozent der Bevölkerung bekennt, in letzter Zeit einen Stierkampfplatz besucht zu haben. Die Zahl der Stierkämpfe nahm in den letzten zehn Jahren kontinuierlich ab.

„Der Stierkampf blutet Jahr für Jahr weiter aus“, beschreibt Antonio Lorca, Stierkampfkritiker von „El País“, Spaniens einflussreichster Tageszeitung, die Lage. „Die spanische Gesellschaft wendet sich von diesem Spektakel zunehmend ab.“ Selbst der berühmte Stierkampfplatz in Madrid bekomme dies zu spüren, der zunehmend Mühe habe, die Ränge zu füllen.

Immer weniger Interesse, immer weniger Stierkämpfe: Was Tierschützer freut, besorgt die Stierkampfbranche, die mit Imagekampagnen versucht, den Abwärtstrend aufzuhalten. Sie versteht sich als Hüter einer jahrhundertealten Tradition. Zudem als Wirtschaftszweig, der viel Geld bewegt und damit zum nationalen Wohlstand beiträgt.

Und die Toreros und Stierzüchter sehen sich sogar als Tier- und Naturfreunde. „Der Kampfstier ist Garant der Konservierung eines einzigartigen Ökosystems“, schreibt die spanische Vereinigung der Kampfstierzüchter auf ihrer Webseite. Warum? Weil die Kampfstiere der annähernd 900 Zuchtbetriebe in Freiheit und auf unberührten Weide- und Waldflächen aufwachsen – und nicht zusammengepfercht in Ställen. Eines ist sicher: Das Schild „Vorsicht Kampfbullen“ am Zaun hält zweibeinige Störenfriede von den Stierweiden fern. Rund 5000 Quadratkilometer in Spanien, die doppelte Fläche des deutschen Saarlandes, sind Weidegründe der Stiere. „Der Stier lebt mit Arten zusammen, die vom Aussterben bedroht sind, etwa der Pardelluchs, der Kaiseradler oder der Schwarzstorch – und er schützt sie“, erklärt der Züchterverband.

Einer dieser Züchter ist Fernando Guzman, Besitzer einer Stierfarm rund 50 Kilometer nördlich von Madrid. Er kutschiert seine Besucher per Geländewagen mitten in sein hügeliges Weideland, auf dem, in sicherer Entfernung, mehr als 100 Kampfstiere und Muttertiere grasen. „Wo es Stierweiden gibt, formt sich eine ökogische Insel, die dem Schutz der Natur dient“, sagt er.

Schon sein Urgroßvater habe hier Kampfbullen gezüchtet. Genauso wie sein Großvater und sein Vater. In der Vergangenheit sei ihnen viel Geld angeboten worden, um auf dem Grünland eine Siedlung zu bauen oder einen Golfplatz anzulegen. „Wir haben immer abgelehnt. Dieses Land gehört den Kampfstieren“, sagt Guzman. Kampfstieren, die später in der Arena von Toreros wie Francisco de Manuel getötet werden. Der 22-jährige Nachwuchs-Matador begleitet zusammen mit Stierzüchter Guzman die Besucher auf der Bullenfarm.

Der Stierkämpfer hat Verständnis für die Empörung der Tierschützer. „Ja, der Stier blutet und der Stier stirbt.“ Aber auch der Torero könne sein Leben verlieren. „In der Arena ist alles möglich“, sagt er dieser Zeitung.

Er sei schon ein paar Mal von Kampfbullen erwischt worden, erzählt er. Meist sei es bei blauen Flecken geblieben, nachdem ihn ein Stier gerammt habe. Einmal sei er aufgespießt worden. „Früher oder später ist das der Preis, den du zahlen musst.“ Er wisse, dass er sein Leben riskiere. „Aber gerade das gibt dem Stierkampf seine Ernsthaftigkeit.“

Francisco de Manuel findet, dass es für einen Kampfstier keinen besseren Tod gebe als in der Arena. „Der Tod verleiht dem Stier und seiner Hingabe erst wirklichen Glanz.“

Es ist tatsächlich so, dass nicht nur der siegreiche Torero in der Arena mit Applaus bedacht wird. Sondern zuweilen auch der Stier, wenn er es seinem Gegner besonders schwer macht.

Ein Stierkampf ohne Blut in der Arena, wie er zum Beispiel in einigen Regionen Portugals praktiziert werde, sei keine Alternative, findet der Stierkämpfer. Denn dann werde der Kampfbulle später im Hinterhof der Arena oder im Schlachthaus mit einem Schuss in den Schädel getötet – das sei für einen Kampfstier unwürdig.

Stierzüchter Guzman sieht das ähnlich. Gefragt, was für ihn das größte Glücksgefühl sei, antwortet er: „Das Schönste ist, wenn du mit einem Stier, den du aufgezogen hast, später Triumphe feierst. Wenn die Zuschauer klatschen. Dann bin ich stolz, Stierzüchter zu sein.“

Spaniens Tierschützer fordern, den Stierkampf zu verbieten. Doch dieser Wunsch wird vorerst nicht in Erfüllung gehen. Gerade verabschiedete Spaniens Parlament ein neues Tierschutzgesetz der Mitte-links-Regierung, das die Strafen für Tierquälerei erhöht – Stierkämpfe sind dabei ausgenommen.

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