Libyens neuer Alltag Safari durch Gaddafis Schreckensreich

Tripolis (RPO). Der Diktator ist weiter auf der Flucht, die Kämpfe um Sirte dauern an. Die Menschen in der Hauptstadt Tripolis versuchen indes, wieder in so etwas wie Alltag zu finden. Derzeit sind viele Menschen unterwegs, zu Fuß in den Straßen. Sie nehmen erstmals selbst Orte in Augenschein, die sie bisher nur aus dem Fernsehen oder aus düsteren Erzählungen kannten.

Safari durch Gaddafis Reich des Schreckens
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Ein alter Mann steht im Innenhof der Gefängnisanlage von Abu Salim. Mit dem Handy macht er schnell ein Foto, vom Unrat auf dem Boden, von den offenen Zellentüren. Abu Salim gilt als einer der dunkelsten Orte des Gaddafi-Regmies. Hier wurden politische Gefangene inhaftiert, Menschen gefoltert, Geständnisse erpresst.

Die Zellen stehen offen

Eine Revolte im Jahr 1996 machte weltweit Schlagzeilen. Der Aufstand der Gefangenen wurde blutig niedergeschlagen. Schätzungen zufolge wurden dabei 1200 Gefangene von Sicherheitskräften umgebracht. Heute stehen die Zellentüren offen, alte Akten und Papiere liegen wild auf dem Boden verteilt.

Die Menschen besichtigen den Ort, der ihnen so lange Angst einflößte. Viele suchen nach Hinweisen auf das Schicksal von Verwandten oder Freunden. Ob man in diesem Chaos etwas findet, wer kann das schon sagen. Neue Beweise für das Massaker jedenfalls werden nicht mehr auftauchen. Der betroffene Zellenblock von damals wurde vor kurzem abgerissen.

Viele Menschen zieht es aber auch an andere Orte. Die Bunker und Paläste des Herrscher-Clans locken viele Besucher an. Jahrzehntelang wurde den Menschen vorgelogen, Gaddafi und seine Familie lebten bescheiden. Der Diktator selbst begnüge sich mit einem Zelt. Jetzt spazieren die Menschen durch die Paläste seiner Töchter und Söhne — und sehen Luxus, den sich ein normaler Libyer nie im Leben leisten könnte.

Erstaunt bis fassunglos stehen Bürger jetzt auch in einer Strandvilla von Gaddafi-Sohn Saif al-Islam. Whirpool auf dem Balkon, Flachbild-TV im Wohnzimmer und freie Sicht auf die Wellen des Meeres. Die Männer mit den Gewehren zerstören und plündern nicht. Vielleicht sollen möglichst viele Menschen in Libyen diese Bilder sehen, diese Dokumente der Lüge.

Die Führung der Rebellen hingegen versucht indes die Ölförderung rasch wieder aufnehmen. Damit Geld in die Kassen kommt, es den Menschen wieder besser geht. In den kommenden Tagen würden zahlreiche Ölbrunnen wieder in Betrieb genommen, sagte Ali Tarhuni, der beim Nationalen Übergangsrat der Rebellen für den Ölsektor verantwortlich ist, am Dienstag vor Journalisten in Tripolis. Allerdings würde der Export von Öl und Gas erst nach und nach wieder anfangen.

Öl soll wieder sprudeln

Die Nationale Ölgesellschaft sei beauftragt worden, einen Zeitplan vorzulegen. Nach Angaben von Tarhuni könnten der wichtige Ölhafen von Brega und die Raffinerie von Sawijah, von der die Versorgung von Tripolis abhängt, in "naher Zukunft" wieder in Betrieb gehen.

Libyen war vor Beginn des Konflikts der viertgrößte Ölproduzent Afrikas. 80 Prozent des Öls, das für den Staat die wichtigste Einnahmequelle war, wurden nach Europa exportiert. Heute wissen alle Libyer, in welche Kassen das Geld damals floss. Das soll nun anders werden.

(csi/nbe)
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