Restaurants in England und den USA Wer sein Handy abgibt, bekommt den Kinderteller gratis

London/New York · In England und Amerika motivieren neuerdings Lokale ihre Gäste dazu, die Handys auszuschalten und wieder miteinander zu reden. Wer durchhält, wird belohnt: zum Beispiel mit einer kostenfreien Kindermahlzeit.

 Die britische Kette „Frankie und Benny’s“ warb Anfang Dezember mit einer kostenlosen Kindermahlzeit für ihre Aktion, bei der Gäste ihr Handy für die Dauer des Besuchs in einer Box unterbringen konnten.

Die britische Kette „Frankie und Benny’s“ warb Anfang Dezember mit einer kostenlosen Kindermahlzeit für ihre Aktion, bei der Gäste ihr Handy für die Dauer des Besuchs in einer Box unterbringen konnten.

Foto: Frankie and Benny's

Es gab einmal eine Zeit, in der Menschen während des Essens miteinander sprachen, lachten oder auch stritten. Heute ist das Tischgespräch zunehmend Szenarien gewichen, in denen alle Blicke auf einen Bildschirm gerichtet sind – und zwar den des eigenen Smartphones. Schweigend nebeneinander die Mahlzeiten einzunehmen ist zu einer Realität geworden, die nicht nur Pädagogen und Psychologen besorgt, sondern zunehmend auch Gastronomen.

Zumindest im anglo-amerikanischen Raum versuchen deshalb immer mehr Restaurantbetreiber, ihre Gäste mit den unterschiedlichsten Ideen und Angeboten dazu zu bewegen, die Telefone wenigstens während der Mahlzeit aus den Augen zu lassen. Stattdessen sollen sie sich unterhalten. Jüngstes Beispiel für eine solche Kampagne ist die britische Restaurantkette „Frankie und Benny’s“, die in der ersten Dezemberwoche Kindern eine freie Mahlzeit anbot, wenn deren Eltern sich bereit erklärten, das Telefon wegzulegen. Grundlage für diese Entscheidung war eine Studie mit 1500 Befragten, die die auf Familien spezialisierte Kette in Auftrag gegeben hatte. Darin wünschten sich 72 Prozent der befragten Sechs- bis Sechzehnjährigen, dass ihre Eltern weniger Zeit mit ihren Handys und mehr Zeit mit ihnen verbrächten; 70 Prozent würden die Geräte konfiszieren, wenn sie könnten. Acht Prozent gaben zu, dass sie die Handys der Eltern manchmal verstecken, um deren Aufmerksamkeit zu bekommen.

„Vor dem Hintergrund dieser Untersuchungen haben wir uns überlegt, wie wir die Menschen dazu inspirieren können, sich am Esstisch wieder mehr miteinander zu beschäftigen“, erklärt das Management des Unternehmens. „Und uns entschieden, den Familien eine Chance zu geben, sich für eine Weile von ihren Geräten zu trennen und sie so wieder näher zusammenzubringen.“ Konkret sah das so aus, dass die Gäste in einer „No Phone Zone“ die Gelegenheit hatten, ihr Telefone in eine eigens dafür auf den Tischen angebrachte Box zu legen. Blieb das Gerät während der gesamten Mahlzeit darin, gab es einen Kinderteller gratis.

Eine Aktion, für die die Restaurantbetreiber viel Applaus auch von Pädagogen bekamen – die ersten waren sie mit dieser Idee freilich nicht. Zu den Pionieren gehört dabei ausgerechnet ein Fast Food-Lokal: Chick-fil-A, eine auf Huhn spezialisierte Kette mit über 2000 Restaurants in den USA, die sich gerne als besonders familienfreundlich und christlich darstellt. Bereits vor zwei Jahren hatte Franchisenehmer Brad Williams, der zwei Lokale im Bundesstaat Georgia besitzt, die Idee. „Ich betreibe meine Lokale seit mehr als 25 Jahren, und musste einen stetigen Rückgangdes Lachens und Schwatzens an den Tischen feststellen“, erklärt Williams. „Deshalb habe ich nach einem Weg gesucht, die Situation zu verbessern“.

In seinen Restaurants bestand dieser in der Platzierung sogenannter „Cell Phone Coops“ (Handy-Hühnerställe): nett gestalteten  Pappboxen, in denen die Geräte während des Essen verschwinden konnten. Zur Belohnung gab es für den Nachwuchs braver Eltern eine Kugel Eis. Innerhalb kürzester Zeit schlossen sich mehr als 500 weitere Filialen an, bis heute sind die Boxen in vielen Restaurants der Kette zu haben – und werden vom Nachwuchs teils vehement eingefordert. „Ich kann mich an einen Vierjährigen erinnern, der seiner Mutter auf dem Weg vom Tresen zum Tisch ganz aufgeregt sagte, ‚Du weißt schon, dass Du dein Handy hier auf lautlos stellen und Dich mit mir unterhalten musst, oder?’“

 Die edlere Variante der Handy-Box in einem New Yorker Sterne-Restaurant.

Die edlere Variante der Handy-Box in einem New Yorker Sterne-Restaurant.

Foto: Eleven Madison Park

Wie wichtig diese Gespräche sind, betonen auch Experten regelmäßig. So lobte die britische Pädagogin Susan Atkins die „Frankie und Benny’s“-Aktion in den höchsten Tönen. „Für Kinder bedeutet  Liebe vor allem Zeit, und Eltern, die ihre Handys aus der Hand legen, kommunizieren, dass ihnen ihre Kinder wichtig“, sagte die Erziehungs-Expertin.

Allerdings sind Aktionen für ein Gespräch am Esstisch nicht nur in Fastfood-Ketten und Familienrestaurants ein Thema, offenbar können auch die Gäste von Sterne-Restaurants ein wenig Hilfestellung  beim Tischgespräch gebrauchen. Jüngstes Beispiel dafür ist das New Yorker Restaurant Eleven Madison Park, das seinen Gästen seit Oktober ein – entsprechend edleres  – Behältnis für deren Handys anbietet.

 „Uns hat dazu eine Installation der Künstlerin Arlene Schmidt vor unserer Tür inspiriert“, berichtet Inhaber und Küchenchef Daniel Humm, gebürtiger Schweizer und mehrfacher Preisträger der US-amerikanischen „Koch-Oscars“, der Beard-Awards. „Diese hat Menschen dazu animiert, von ihren Telefonen und anderen Ablenkungen aufzuschauen, und da haben wir uns gefragt, wie wir die Menschen am Tisch wieder mehr miteinander verbinden können.“ Daraus wurde die Idee der Boxen geboren, die von Anfang an ein voller Erfolg war – der die Erwartungen sogar übertraf. „Es ist erstaunlich, wie begeistert Menschen sind, wenn sie endlich wieder einmal abschalten und im Moment leben können – und das gemeinsam mit ihrer Familie oder ihren Freunden, die ihnen gegenüber sitzen“, sagt Humm.

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