Nach dem Unglück auf der "Costa Concordia" Reederei suspendiert Kapitän Schettino

Die Reederei Costa Crociere hat den Kapitän der "Costa Concordia", Francesco Schettino, mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert. Derweil nehmen die Bergungskräfte auf der Insel Giglio die Suche nach den Vermissten des gekenteren Kreuzfahrtschiffes wieder auf.

Das Genueser Unternehmen erklärte zudem, es werde den Kapitän auch nicht verteidigen, sagte Costa-Anwalt Marco De Luca, am Donnerstag in Grosseto, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Costa Crociere sehe sich nach dem Schiffbruch selbst als geschädigt an, sagte der Anwalt.

Neben der menschlichen Tragödie sei dem Unternehmen erheblicher Schaden zugefügt worden. Zivilpartei (Nebenkläger) könne man aber erst in einem Prozess sein. Schettino wird mehrfache fahrlässige Körperverletzung, Havarie und Verlassen des Schiffes während der Evakuierung vorgeworfen.

Schiff soll sich stabilisiert haben

Die Suche nach Vermissten geht am sechsten Tag nach dem Kentern der "Costa Concordia" weiter. Das sagte ein Sprecher der Rettungsmannschaften am Donnerstag auf der italienischen Insel Giglio. Die Suche war am Vortag unterbrochen worden. Das Wrack droht in die Tiefe zu rutschen. Die Suche ist ein Wettlauf gegen die Zeit, weil schlechteres Wetter aufzieht.

Das Schiff habe sich stabilisiert, sagte ein Sprecher der Küstenwache. Taucher ließen sich zu dem unter Wasser liegenden Teil des Wracks herab und sollten weitere Zugänge in den Rumpf sprengen. Tests ergaben, dass das Schiff stabil liege, sagte Küstenwachesprecher Filippo Marini. Taucher sollten erneut an Bord gehen, um nach den Vermissten zu suchen.

Rettungsteams und Taucher von Feuerwehr, Küstenwache und Marine wollten sich bei der Suche vor allem auf die unter Wasser liegende vierte Brücke des Schiffes konzentrieren. Sie hatten in den vergangenen Tagen Sprengstoff eingesetzt, um sich durch die Schiffshaut Zugang ins Innere zu verschaffen.

Die Behörden identifizierten am Donnerstag weitere Todesopfer der Havarie. Bei zwei Toten handele es sich um einen Mann und eine Frau aus Frankreich, erklärte der Krisenstab in Grosetto. Außerdem waren ein Besatzungsmitglied aus Peru, ein Passagier aus Italien und zwei weitere Passagiere aus Frankreich namentlich bekannt. Das spanische Außenministerium teilte mit, auch ein 68-Jähriger aus Mallorca sei getötet worden. Bereits zuvor wurde ein Todesopfer aus Ungarn identifiziert, ein Besatzungsmitglied. Seit dem Unglück am Freitag wurden elf Todesopfer bestätigt.

Noch immer gelten mindestens 21 Menschen als vermisst. Das Auswärtige Amt ging auch am Donnerstag noch von zwölf vermissten Deutschen aus. Bislang wurden elf Tote geborgen. Unter den Vermissten waren auch ein fünfjähriges Mädchen und ihr Vater aus Italien. Die Mutter wandte sich an die Öffentlichkeit und bat darum, die Suche zu beschleunigen. Passagiere mögen sich melden, um zu klären, wo die beiden zuletzt gesehen worden seien.

Kapitän wird von Freunden verteidigt

Unterdessen ist der beschuldigte und in seiner neapolitanischen Heimat unter Hausarrest stehende Kapitän Francesco Schettino daheim von Freunden verteidigt worden. "Nicht aufgeben, Kapitän", stand auf einem Begrüßungsplakat für den 52-jährigen, wie Aufnahmen aus dem Neapel-Stadtteil Meta di Sorrento zeigten. Es müsse Schluss sein damit, ihn an den Pranger zu stellen. Schettino wird unter anderem der mehrfachen fahrlässigen Tötung und der Havarie beschuldigt. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 15 Jahre Haft.

Das 290 Meter lange Schiff mit mehr als 4200 Menschen an Bord hatte am 13. Januar nach der Kursänderung des Kapitäns einen Felsen vor der Insel Giglio gerammt und war leckgeschlagen. Das Schiff liegt derzeit in starker Schräglage vor der Insel. Meteorologen haben stärkere Winde in der Region von Donnerstagabend an vorhergesagt, mit bis zu zwei Meter hohen Wellen, die das Schiff weiter versinken lassen könnten.

Schweröl soll abgepumpt werden

Das Abpumpen von Öl aus den Tanks des Schiffs wird voraussichtlich mehrere Wochen dauern. Die Arbeiten sollten am Freitag beginnen. Nach Angaben der Reederei sollen mindestens 1900 Tonnen Treibstoff an Bord sein, darunter Schweröl, sagte eine Sprecherin des Havariekommandos in Cuxhaven. "Schweröl ist wie dicker, zähflüssiger Honig. Um es abzupumpen, muss es erst auf 45 bis 50 Grad erwärmt werden." Die 21 Tanks der "Costa Concordia" können 2400 Tonnen Treibstoff aufnehmen.

Die deutsche Niederlassung von Costa Crociere, Costa Kreuzfahrten, teilte in Hamburg mit, dass das niederländische Bergungsunternehmen Smit Salvage einen Plan zum Abpumpen ausgearbeitet habe, der mit den italienischen Behörden erörtert und "zur Umsetzung ab dem Ende dieser Woche" verabschiedet worden sei.

Der Umweltverband Legambiente sprach schon von bedeutenden Schäden für die Natur vor der toskanischen Insel Giglio als Folge der Lösungsmittel, Schmieröle, Lacke und Reinigungsmittel an Bord. Die Unglücksstelle liegt mitten im Pelagos-Meeresschutzgebiet. Das ist das wichtigste Walschutzgebiet im Mittelmeer.

Reederei zählt sich zu Geschädigtern

Die Kreuzfahrtgesellschaft Costa erklärte sich unterdessen zum Geschädigten des Unglücks, wie ein Anwalt mitteilte. Das Unternehmen hatte sich bereits zuvor öffentlich von Kapitän Francesco Schettino distanziert. Die Reederei betonte, alle Passagiere der "Costa Concordia" seien inzwischen kontaktiert worden. Das Unternehmen habe sich in Schreiben nach der "guten Heimkehr und dem Gesundheitszustand" der Betroffenen erkundigt.

Zudem sei den Passagieren die Erstattung der Kosten für die ausgefallene Kreuzfahrt und aller damit verbundenen Ausgaben zugesichert worden. Costa stehe mit den Passagieren und ihren Interessenvertretern in Kontakt, um über mögliche Entschädigungen zu beraten. Mehr als 70 Passagiere haben sich bereits einer Sammelklage einer italienischen Verbrauchervereinigung gegen das Kreuzfahrtunternehmen angeschlossen und fordern pro Person mindestens 10.000 Euro Entschädigung.

(dpa/dapd/afp/das)
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