Lehrschreiben "Evangelii gaudium" Papst Franziskus: Mehr Räume für Frauen in der Kirche

Vatikanstadt · Papst Franziskus hat sich zu einer Reform seines Amtes und der katholischen Kirche "auf allen Ebenen" bereit gezeigt. Das Lehrschreiben "Evangelii gaudium" über die Glaubensverkündigung gibt Aufschluss über die Positionen von Franziskus zu vielen Kirchenfragen: Unter anderem sprach er sich für mehr Aufgaben für Frauen in der Kirche aus. Das Priesteramt bleibe für sie jedoch ausgeschlossen.

Wladimir Putin trifft Papst Franziskus zum ersten Mal
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Papst Franziskus bringt eine Neuausrichtung des Papstamtes in der katholischen Kirche ins Gespräch. Er sei offen für Vorschläge, wie das Papstamt stärker an die von Jesus Christus gewollte Bedeutung und die heutigen Notwendigkeiten der Evangelisierung angepasst werden könne, erklärte das Oberhaupt der katholischen Kirche in einem am Dienstag veröffentlichten Dokument mit dem Titel "Evangelii Gaudium" ("Freude des Evangeliums"). Gleichzeitig sprach er sich für Reformen in der Kirche "auf allen Ebenen" aus.

Bereits sein Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005) habe eine Suche nach Formen der Primatsausübung angeregt, die "keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet", betont Franziskus in seinem Lehrschreiben. Darin sei man bislang "wenig vorangekommen".

Auch das Papsttum und die zentralen Strukturen der Universalkirche müssten dem Ruf zu einer pastoralen Umkehr folgen, so der erste Papst aus Lateinamerika. Als Bischof von Rom wolle er für Vorschläge offen bleiben, die darauf zielten, dass "eine Ausübung meines Amtes der Bedeutung, die Jesus Christus ihm geben wollte, treuer ist und mehr den gegenwärtigen Notwendigkeiten der Evangelisierung entspricht".

"Priestertum zu sehr mit Macht verwechselt"

Papst Franziskus zeigt Reliquien des Apostels Petrus
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Franziskus forderte mehr Tätigkeitsfelder und Aufgaben für Frauen in der Kirche. Ihr Beitrag sei unentbehrlich, und er sehe "mit Freude, wie viele Frauen pastorale Verantwortungen gemeinsam mit den Priestern ausüben", betont der Papst. Zugleich schließt er eine Zulassung zum Priesteramt für sie jedoch aus. Das den Männern vorbehaltene Priestertum sei "eine Frage, die nicht zur Diskussion steht". Der Papst räumte ein, dass diese Frage "Anlass zu besonderen Konflikten" gebe, "wenn die sakramentale Vollmacht zu sehr mit Macht verwechselt wird". Wenn es jedoch um priesterliche Vollmacht gehe, dann bewege man sich "auf der Ebene der Funktion und nicht auf der Ebene der Würde und der Heiligkeit".

Christus habe das Amtspriestertum als Dienst eingesetzt; "die große Würde" komme jedoch von der Taufe, die allen zugänglich ist". In der Kirche begründeten Funktionen "keine Überlegenheit der einen über die anderen". So sei etwa die Gottesmutter Maria bedeutender als die Bischöfe. Dreh- und Angelpunkt des Amtspriestertums sei nicht eine "als Herrschaft verstandene Macht, sondern die Vollmacht, das Sakrament der Eucharistie zu spenden". Darauf beruhe die Autorität des Priesters, die "immer ein Dienst am Volk" sei.

"Wenig getan, um Frauen angemessen zu begleiten"

Das entschiedene Nein der katholischen Kirche zur Abtreibung könne keinen "mutmaßlichen Reformen oder Modernisierungen unterworfen" sein, betonte der Papst in seinem Lehrschreiben. Es sei "nicht fortschrittlich sich einzubilden, Probleme zu lösen, indem man ein menschliches Leben vernichtet". Zugleich fordert der Papst mehr Begleitung von Frauen in Notsituationen.

Es sei zutreffend, "dass wir wenig getan haben, um die Frauen angemessen zu begleiten, die sich in sehr schweren Situationen befinden, wo der Schwangerschaftsabbruch ihnen als eine schnelle Lösung ihrer tiefen Ängste erscheint", führte das Papst aus. Das gelte besonders, wenn die Schwangerschaft in Folge von Gewalt oder im Kontext extremer Armut entstanden ist. "Wer hätte kein Verständnis für diese so schmerzlichen Situationen?", so Franziskus.

Zu den Schwachen, deren sich die Kirche besonders annehmen müsse, gehören nach Worten des Papstes auch die ungeborenen Kinder. Man wolle ihnen heute "die Menschenwürde absprechen", indem man ihnen das Leben nehme und Gesetze fördere, die Abtreibungsverbote unterbinden.

Franziskus bedauerte, dass der Einsatz der Kirche für die Ungeborenen oft ins Lächerliche gezogen und als etwas Ideologisches, Rückschrittliches, Konservatives dargestellt werde: "Und doch ist diese Verteidigung des ungeborenen Lebens eng mit der Verteidigung jedes beliebigen Menschenrechtes verbunden." Sie setze die Überzeugung voraus, dass "ein menschliches Wesen immer etwas Heiliges und Unantastbares ist, in jeder Situation und jeder Phase seiner Entwicklung".

Papst bittet um Religionsfreiheit in islamischen Ländern

Franziskus bittet in dem Schreiben auch um Religionsfreiheit für die Christen in islamischen Ländern. Auch Muslime genössen in der westlichen Welt Freiheiten. Christen müssten islamische Einwanderer "mit Zuneigung und Achtung aufnehmen"; gleichzeitig hoffe er auf eine ebensolche Haltung gegenüber Christen in den Ländern islamischer Tradition.

Wörtlich heißt es: "Bitte! Ich ersuche diese Länder demütig darum, in Anbetracht der Freiheit, die die Angehörigen des Islam in den westlichen Ländern genießen, den Christen Freiheit zu gewährleisten, damit sie ihren Gottesdienst feiern und ihren Glauben leben können."

Angesichts von Vorfällen durch gewalttätigen Fundamentalismus müsse "die Zuneigung zu den authentischen Anhängern des Islam" dazu führen, "gehässige Verallgemeinerungen zu vermeiden", schreibt der Papst. Der wahre Islam und eine angemessene Interpretation des Koran stünden jeder Gewalt entgegen.

In seinem Lehrschreiben zum Abschluss des "Jahres des Glaubens" führt Franziskus aus, dass sich die Muslime "zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird". Die heiligen Schriften des Islam bewahrten "Teile der christlichen Lehre"; Jesus Christus und Maria seien "Gegenstand tiefer Verehrung".

Franziskus würdigte die Gebetspraxis der Muslime und ihren Einsatz für Barmherzigkeit gegenüber den Ärmsten. Ein Dialog mit dem Islam setze freilich eine entsprechende Bildung und Erfahrung der Gesprächspartner voraus.

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat das jüngste Apostolische Schreiben als einen "prophetischen Aufruf an die Kirche" gewürdigt. Es ermutige dazu, sich neu auf den Weg einer ganzheitlichen Evangelisierung zu wagen, erklärte Marx am Dienstag in München. Der Text atme "den Schwung, die Dynamik und die Freude des Evangeliums Jesu Christi".

(KNA/AFP)
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