Ab Juni Papst erlässt Meldepflicht für Missbrauchsfälle in der Kirche

Rom · Der Papst reagiert auf die Kritik, er tue nicht genug gegen Missbrauch in der Kirche. Nun veröffentlicht der Pontifex neue Anweisungen - und die betreffen dieses Mal die ganze Kirche.

 Papst Franziskus (Archivbild).

Papst Franziskus (Archivbild).

Foto: dpa/Andrew Medichini

Papst Franziskus hat für die gesamte katholische Kirche eine Meldepflicht für Fälle sexuellen Missbrauchs erlassen. Für Kleriker und Ordensleute werde ab Juni die Verpflichtung eingeführt, innerhalb der Kirche Missbrauchs- und Vertuschungsfälle umgehend anzuzeigen, teilte der Vatikan am Donnerstag mit.

„Während diese Verpflichtung bis dato in einem gewissen Sinne dem persönlichen Gewissen überlassen war, wird sie nunmehr zu einer universell gültigen Rechtsvorschrift“, erklärte der Chefredakteur der Kommunikationsabteilung des Vatikans, Andrea Tornielli. Das Gesetz soll am 1. Juni in Kraft treten. Eine Meldepflicht an staatliche Stellen ist allerdings nicht vorgesehen.

In dem apostolischen Schreiben „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt) heißt es zudem, die katholischen Diözesen in aller Welt müssten bis spätestens Juni nächsten Jahres „ein oder mehrere dauerhafte und der Öffentlichkeit leicht zugängliche“ Anlaufstellen für Anzeigen einrichten.

Die katholische Kirche steckt seit Jahren wegen Missbrauchsskandalen in vielen Ländern der Welt - auch in Deutschland - in einer ihrer schwersten Krisen. Während des Pontifikats von Franziskus' Vorgänger Benedikt XVI. kam ans Licht, dass sich massenhaft Geistliche an Kindern vergangen hatten und von Oberen gedeckt wurden. Franziskus stand nun stark unter Druck, seinen Worten von einer „Null Toleranz“-Politik auch Taten folgen zu lassen.

Das nun veröffentlichte sogenannte Motu proprio ist eine Folge des Anti-Missbrauchsgipfels, zu dem der Papst Ende Februar die Vorsitzenden aller Bischofskonferenz in den Vatikan geladen hatte. Danach war kritisiert worden, dass der Pontifex keine umfassenden Schritte im Kampf gegen den Missbrauch von Kindern unternommen hatte. Zuletzt stellte Franziskus einzig für den kleinen Vatikanstaat - in dem kaum Kinder leben - entsprechende Regeln auf.

Die einzelnen Punkte im Überblick

Meldestellen: Jede Diözese muss künftig eine oder mehrere „leicht zugängliche“ Meldestellen einrichten, denen Verdachtsfälle angezeigt werden können. Bis Juni 2020 müssen diese Meldestellen eingerichtet werden. Jeder Bürger kann sich an sie wenden.

Meldepflicht: Priester und Ordensleute sind künftig verpflichtet, Informationen über Verdachtsfälle vollständig und „unverzüglich“ bei den zuständigen kirchlichen Stellen anzuzeigen. Dies gilt ausdrücklich sowohl für Fälle von sexuellen Übergriffen durch Geistliche als auch für Fälle von deren Vertuschung durch Bischöfe oder Ordensobere.

Neue Straftatbestände: Der Erlass erkennt bestimmte Arten von Verstößen gegen das sechste Gebot, das Ehebruch verbietet, als Straftatbestände an. Dazu gehört „unter Gewalt oder Drohung oder durch Amtsmissbrauch erfolgter Zwang, sexuelle Handlungen zu vollziehen oder zu erleiden“. Auch sexuelle Handlungen mit Minderjährigen und Schutzbedürftigen sowie Herstellung, Besitz und Verbreitung von kinderpornografischem Material fallen unter die neue Regelung.

Definition von „Schutzbefohlenen“ als Opfer: Anlässlich des Treffens mit Bischöfen aus aller Welt über Missbrauch in der Kirche war kritisiert worden, dass dabei teils systematische Übergriffe auf Ordensfrauen nicht Thema waren. Die neuen Verfahrensregeln gelten daher ausdrücklich auch für Priester, die in Frauenorden Messe feiern und Beichte hören. Nach den Vorwürfen gegen den ehemaligen Washingtoner Kardinal Theodore McCarrick sind nun auch sexuelle Handlungen mit Priesteramtskandidaten untersagt, unabhängig davon, ob diese minderjährig sind.

Vertuschung: Als neuen Straftatbestand führt der Papst auch die Vertuschung von Missbrauchsfällen innerhalb der Kirche ein. Dies gilt für „Handlungen oder Unterlassungen, die darauf gerichtet sind, die zivilen oder kirchenrechtlichen Untersuchungen verwaltungsmäßiger oder strafrechtlicher Natur gegenüber einem Kleriker oder einer Ordensperson zu beeinflussen oder zu umgehen“. Untersuchungen gegen Bischöfe, Ordensobere, Kardinäle oder andere leitende Amtsträger sind innerhalb von drei Monaten nach der ersten Meldung abzuschließen.

Umgang mit Opfern: Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch muss die Kirche Opfern künftig nicht nur seelsorgerischen Beistand, sondern auch medizinische und psychotherapeutische Hilfe anbieten. Der Erlass verbietet ausdrücklich „Vergeltung und Diskriminierungen“ derjenigen, die Verdachtsfälle melden.

(felt/lukra/dpa/epd)
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