Sorgen um Londoner Olympia Pannen und Kostenexplosion fordern Planer heraus

London · Die alte blaue Mappe auf dem Sitz eines Zuges sah nicht sehr wichtig aus. Doch eine Terrororganisation hätte sicher viel dafür gegeben, um deren brisanten Inhalt zu erfahren. Während sich gerade London unter der zweithöchsten Terrorwarnstufe ("ernst") auf die Olympischen Spiele im Sommer vorbereitet, ließ ausgerechnet ein ranghoher Offizier des Scotland Yard einen Ordner mit detaillierten Plänen der Sicherheitsmaßnahmen für Olympia in einem Vorortzug liegen.

Fakten zu Olympia 2012 in London
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Die "Sun" berichtete von dem Vorfall, nachdem sie die geheimen Dokumente der Metropolitan Police (Met) überreicht hatte. Die Zeitung hatte die Mappe von einem Pendler bekommen, der sie am 5. Januar im südenglischen Dartford fand. Darin befanden sich nicht nur die Daten der anstehenden Sicherheitsübungen, sondern auch die Handynummern der wichtigsten Met-Beamten und die Notfallpläne für einen Terrorangriff.

Als wäre dies nicht peinlich genug für die Behörden, erfuhr das Boulevardblatt aus den Notizen der Londoner Polizisten, dass ihre Radios "niemals richtig funktionieren" würden. Es ist die zweite größere Olympia-Panne seit dem Jahresbeginn: Vor zehn Tagen berichteten die Medien, dass anonyme Tester erfolgreich eine Bombenattrappe ins olympische Stadion im Stadtteil Stratford hineinschmuggeln konnten. Es war ein Schock, weil die Organisatoren monatlich im Schnitt neun Millionen Euro ausgeben, um die fertig gebauten Sportstätten vor Terroristen zu sichern. "Solche Übungen sind normal und notwendig für unsere Vorbereitung", beschwichtigt die Polizei.

Sorge um die Sicherheit

Doch in London wachsen die Sorgen, dass eine der größten Sicherheitsoperationen in der britischen Geschichte dem Chef der Spiele, Lord Sebastian Coe, über den Kopf wachsen könnte. Der Vorsitzende des Organisationskomitee LOCOG steht vor einer dreifachen Herausforderung: Einerseits setzt Coe im Gegensatz zu den Spielen in Peking alles daran, dass die weltoffene Metropole an der Themse nicht wie eine "belagerte Stadt" wirkt.

Andererseits wurde der 55-jährige Baron jedoch von den Geheimdienstlern gewarnt, dass seine Spiele im Visier der Terroristen stehen. Die Liste der Verdächtigen umfaßt neben den radikalen Islamisten und nordirischen Separatisten alle militanten Gruppen, die möglicherweise den 40. Jahrestag der blutigen Geiselnahme bei der Olympiade in München mit einem neuen Anschlag begehen wollen.

Das dritte Problem ist der Geldmangel. Statt der geplanten 838 Millionen Pfund werden die Briten in harten Zeiten eine Milliarde Pfund für die Sicherheit ausgeben müssen. Coe weiß, dass er sich nicht noch eine Blamage erlauben darf. Denn die niedrigere Schätzung gründete auf einer frühen Fehlkalkulation beim Security-Personal: 10.000 Wachleute, die die private Firma G4S stellen soll. Im Herbst wurde klar, dass diese Zahl nicht ausreicht. Darum versprach die Regierung, neben 12.000 Polizisten weitere 13 500 Soldaten einzusetzen.

Das Verteidigungsministerium bereitet sich auf das größte Sportereignis der Welt wie auf einen Krieg vor. Angeblich sollen im Sommer alle Sprengstoffsuchhunde aus Afghanistan nach London abgezogen werden. Die Royal Navy wird ihr größtes Schiff, die HMS Ocean, in Greenwich ankern lassen. An der Themse werden Boden-Luft-Raketen stationiert, die Luftwaffe verlegt ihre Typhoon-Abfangjäger aus Schottland in die Nähe von Wembley und schickt Kampfhubschrauber mit Scharfschützen in den Londoner Himmel. Laut neuen Plänen sollen Drohnen bei der Überwachung des Olympischen Parks helfen. Aus Angst vor einem Anschlag mit Biowaffen stocken die Militärs gerade ihre Vorräte am Impfstoff gegen Milzbrand auf.

(RP/felt/top/rai)
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