Krieg in der Ukraine Ostukraine - So leben die letzten Einwohner in Slowjansk
Slowjansk liegt nur 15 Kilometer hinter der Front - die Stadt wirkt wie ausgestorben, seitdem russische Truppen das ostukrainische Gebiet Donezk immer wieder mit Artillerie und Raketenwerfern angreifen. Wer konnte, hat die Stadt längst verlassen. Und die, die geblieben sind, leben unter den schlimmsten Bedingungen. Kein Wasser, kein Strom, kein Gas. Junge Menschen sehen sich mit Langeweile konfrontiert. Bilder einer fast ausgestorbenen Stadt.
Die 89-jährige Ida Svystunova blickt im August aus einem beschädigten Fenster in Slowjansk: Im Mai wurde der Wohnblock durch einen russischen Raketenangriff beschädigt. Svystunova ist eine von nur noch vier Personen, die in dem Gebäude ausharren und verbringt die meiste Zeit des Tages damit, aus dem Fenster zu schauen. „Ich sitze da und warte auf das Ende dieses Krieges oder vielleicht auf das Ende von uns selbst“, sagte sie.
In Slowjansk leben etwa nur noch ein Fünftel der Einwohner. Dazu zählt auch Anastasiia Aleksandrova, die mit ihren Großeltern Olena (r) und Andreii (hinten) abwarten möchte, wie sich die Lage verändert.
Alltag im Kriegsgebiet: Mit ihren Großeltern Olena und Andreii besucht sie ein See in Slowjansk. Nach der Evakuierung Hunderttausender Menschen sind die Städte weitgehend leergefegt und die zurückgebliebenen jungen Menschen sehen sich mit Entfremdung, Einsamkeit und Langeweile konfrontiert - ein schmerzhafter Gegenpol zu der Angst und Gewalt, die Moskau in der Ukraine entfesselt hat.
Ein Kind wartet auf seine Mutter vor einem der wenigen noch geöffneten Geschäfte in der Stadt. Von den rund 275.000 Kindern, die vor der russischen Invasion in der Region Donezk 17 Jahre alt oder jünger waren, sind noch etwa 40.000 übrig geblieben.
Eine unheimliche Stille herrscht über den nahezu verlassenen Straßen von Slowjansk. Eine Frau steht mit ihrem Fahrrad vor dem einzigen geöffneten Lebensmittelstand auf einem Markt in Slowjansk. In Slowjansk, wo es seit Monaten weder Gas noch Wasser gibt, leben nur noch rund 20 000 der zuvor 100 000 Einwohner.
Die russische Armee hat ihre Stellungen unweit der Stadt Slowjansk verstärkt und ukrainische Soldaten stehen in Stellung: Igor Ryazantsev vom Regiment Dnipro-1 hält während einer Phase relativer Ruhe in der Nähe von Slowjansk in der Region Donezk in der Ostukraine Wache vor seinem Zelt. Die Mitglieder der Einheit glauben, dass ein russischer Vormarsch mit dem Ziel der Einnahme der strategisch wichtigen Stadt bevorstehen könnte.
Die Kämpfe gegen die angreifenden russischen Truppen nahe der Stadt im Osten der Ukraine - nur zwölf Kilometer von russisch besetztem Gebiet entfernt - haben die lebenswichtige Infrastruktur von Slowjansk schwer getroffen, allen voran die Versorgung mit Gas und Wasser. An öffentlichen Pumpen müssen sich die Menschen in der ostukrainischen Stadt mit ihrem täglichen Wasser versorgen.
An fünf öffentlichen Wasserstellen kommen sie für paar Minuten zu den öffentlichen Wasserstellen und können Flaschen und Kanister abfüllen und auf Fahrrädern, Karren oder in Buggys nach Hause bringen.
Im Moment fließt das Wasser an den öffentlichen Stellen, doch wenn es kälter wird, droht das Aus. Wenn die Temperaturen fallen und im Winter die Pumpen einfrieren, würde das eine Katastrophe für Slowjansk heraufbeschwören.
Anwohner tragen Behälter mit Wasser.
Lyubov Mahlii (76) packt eine Kiste mit Wasserflaschen, die sie an einem öffentlichen Tank aufgefüllt hat, um sie in ihre Wohnung in der Ostukraine zu bringen. Die 76-jährige Witwe muss zwei Mal täglich zu einem öffentlichen Wassertank laufen, um sich versorgen zu können. Vier Stockwerke muss sie jedes Mal mit ihren in Plastikflaschen abgefüllten 20 Litern bewältigen.
„Die Wasserinfrastruktur ist von den anhaltenden Kämpfen zerstört“, beklagt Ljubow Mahlii. Und auch wenn die Sirenen losgingen und Artilleriefeuer in der Ferne zu hören sind, holt die alte Dame Wasser: „Es ist ein großes Risiko für uns, aber was sollen wir sonst machen?“
Ein Mann raucht vor seinem Auto, während er die Ruinen von Wohngebäuden betrachtet, nachdem russische Artilleriegeschosse das Stadtzentrum getroffen haben.
Obwohl Präsident Wolodymyr Selenskyj Ende Juli die Einwohnerinnen und Einwohner der Region Donezk anwies, ihre Heimat zu verlassen, gibt es Bewohner, die bleiben wollen.
Die Behörden versuchen, die Einwohnerschaft weiter zum Verlassen der Region zu bewegen - nicht nur mit Blick auf den Winter, sondern auch weil die Front droht, nach Westen zu wandern.