Flüchtlingsdrama Zehntausende Syrer harren an Grenze zur Türkei aus

Öncüpinar · Die aktuelle Offensive der syrischen Regierungstruppen haben eine Flüchtlingswelle ausgelöst: Die dramatische Lage zehntausender Syrien-Flüchtlinge an der Grenze zur Türkei hat sich am Sonntag weiter verschlechtert.

 Der Grenzübergang Öncüpinar bleibt vorerst geschlossen.

Der Grenzübergang Öncüpinar bleibt vorerst geschlossen.

Foto: dpa, kno

Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der am Montag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Flüchtlingskrise berät, erklärte, die Schutzsuchenden würden "wenn nötig" aufgenommen. Doch blieb der Grenzübergang Öncüpinar vorerst geschlossen. Hilfsorganisationen fürchteten eine neue humanitäre Katastrophe, während die Offensive syrischer Regierungstruppen in Aleppo andauerte.

Die syrische Führung habe "einen Teil von Aleppo blockiert", sagte Erdogan vor Reportern. Wenn die dadurch vertriebenen Zivilisten "vor unseren Türen stehen und keine andere Wahl haben, müssen und werden wir, wenn nötig, unsere Brüder hereinlassen", fuhr er fort. Einen Zeitpunkt für die mögliche Grenzöffnung nannte Erdogan jedoch nicht.

Vize-Regierungschef Numan Kurtulmus sagte später dem Sender CNN-Türk: "Wir sind nicht in der Position ihnen zu sagen, dass sie nicht kommen sollen. Wenn wir das täten, würden wir sie dem Tod überlassen."

In den vergangenen Tagen waren zehntausende Menschen vor einer durch russische Bombenangriffe unterstützten Regierungsoffensive aus der umkämpften syrischen Provinz Aleppo zur türkischen Grenze geflohen. Der Gouverneur der türkischen Grenzprovinz Kilis rechnet mit bis zu 70.000 Schutzsuchenden, am Wochenende hielten sich nach seinen Angaben bereits mehr als 30.000 Menschen nahe der syrischen Stadt Asas unweit der türkischen Grenze auf.

Ärzte ohne Grenzen: Lage ist hoffnunglos

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen beklagte, die Lage vor Ort sei "hoffnungslos". Auf der syrischen Seite der Grenze hielten sich die Flüchtlinge unter extrem behelfsmäßigen Umständen auf. "Das ist dramatisch, wer kein Zelt abbekommen hat, schläft unter den Olivenbäumen", sagte der Sprecher der aufständischen Gruppierung Dschaba Schamija, Haitham Hammu. Die Flüchtlinge könnten höchstens mit einer Mahlzeit am Tag rechnen.

Ein türkischer Behördenvertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP allerdings, die Grenze werde zeitweise für Notfälle geöffnet. Am Freitag seien sieben Verletzte durchgelassen worden und am Samstag ein weiterer Verwundeter, damit sie in der Türkei behandelt werden könnten. In der Türkei leben bereits über zwei Millionen syrische Flüchtlinge.

Die Truppen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad sind im Umfeld der Stadt Aleppo auf dem Vormarsch. Wenn sie die zweitgrößte syrische Stadt unter ihre Kontrolle bekämen, wäre dies eine dramatische Wende in dem Bürgerkrieg. Derzeit halten sich in den von den Aufständischen kontrollierten Stadtvierteln von Aleppo noch rund 350.000 Zivilisten auf.

Der syrische Bürgerkrieg dauert seit fast fünf Jahren an und hat sich mittlerweile zu einem hoch komplexen Konflikt mit vielen Interessengruppen entwickelt. Saudi-Arabien brachte vor einigen Tagen den Einsatz von Bodentruppen ins Spiel. Die Vereinigten Arabischen Emirate schlossen sich dem Vorschlag am Sonntag an und forderten eine "ernsthafte Kampagne" gegen den Islamischen Staat (IS) in Syrien unter Führung der USA.

Die salafistische Gruppierung Dschaisch al-Islam tötete nach Informationen der Beobachtungsstelle für Menschenrechte in Syrien am Sonntag in einem Hinterhalt in der Gegend von Guta, unweit der Hauptstadt Damaskus, 35 Soldaten und Söldner der Regierungstruppen. Die Angaben der den Rebellen nahe stehenden Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien sind von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen.

(felt/AFP)
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