Proteste, Gewalt und Barrikaden Lagos kommt nach Schüssen auf Demonstranten nicht zur Ruhe

Lagos · Die Demonstrationen in Nigeria sorgen weltweit für Entsetzen: Bürger protestieren gegen Polizeigewalt und erfahren am eigenen Leib Gewalt. In der Wirtschaftsmetropole Lagos scheint die Lage chaotisch.

 Rauchsäulen über Lagos. Eine Stadt versinkt im Chaos.

Rauchsäulen über Lagos. Eine Stadt versinkt im Chaos.

Foto: AP/Sunday Alamba

Nach einem Blutbad bei einer Kundgebung gegen Polizeiübergriffe gehen die Proteste im westafrikanischen Nigeria unvermindert weiter. Trotz einer noch immer andauernden Ausgangssperre kam es auch am Donnerstag zu Protesten und Gewalt in der Wirtschaftsmetropole Lagos, unter anderem in einem Gefängnis. International hagelte es weiter Kritik an dem brutalen Vorgehen gegen Demonstranten, darunter von der Afrikanischen Union (AU) und der nigerianischen Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie.

Die Lage in Lagos schien am Donnerstag chaotisch. Menschen hätten Straßen blockiert und Gebäude geplündert und zerstört, berichteten die Polizei und ein dpa-Reporter. Schüsse waren dem Reporter zufolge zu hören. In einer Klinik seien acht Menschen mit Schusswunden eingeliefert worden, teilte ein Mitarbeiter mit. Auch von einem Gefängnis aus seien Schüsse zu hören gewesen, sagte Anwohner Tunde Oguntola. Der „Vorfall“ in der Haftanstalt sei unter Kontrolle, sagte Polizeisprecher Olamuyiwa Adejobi, ohne Details zu nennen.

In Afrikas größter Volkswirtschaft kommt er bereits seit zwei Wochen zu den #EndSARS genannten Protesten gegen Polizeigewalt. Am Dienstag eskalierten die Proteste, als vermutlich Sicherheitskräfte auf Demonstranten an einer Mautstelle in Lagos schossen. Die Organisation Amnesty International sprach von nachweislich mindestens zwölf Menschen, die von Sicherheitskräften getötet worden seien.

Die Reaktion der Behörden war dagegen verhalten. Nachdem der Gouverneur von Lagos, Babajide Sanwo-Olu, zunächst Todesopfer bestritten hatte, sprach er zuletzt von einem Toten und sagte, man müsse noch prüfen, ob es sich wirklich um einen Demonstranten handelte. Nigerias Vizepräsident Yemi Osinbajo sprach denjenigen, die in Lagos und anderen Bundesstaaten in den vergangenen Tagen „ums Leben gekommen“ seien, sein Beileid aus und twitterte: „Wir können und werden Gerechtigkeit für sie alle bekommen.“

Die Afrikanische Union schloss sich der Kritik etlicher prominenter Stimmen aus dem Ausland an - sie reichen von Sängerin Rihanna bis zum demokratischen US-Präsidentschaftskandidaten Joe Biden. Der Chef der AU-Kommission, Moussa Faki Mahamat, rief „alle politischen und sozialen Beteiligten dazu auf, Gewalt abzulehnen und Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren“. US-Außenminister Mike Pompeo twitterte den Hashtag #EndSARS und ein von Twitter eigens für die Proteste geschaffenes Emoji. Er verurteilte die Vorfälle, bei denen „militärische Kräfte auf unbewaffnete Demonstranten in Lagos schossen“. Die Beteiligten sollten zur Verantwortung gezogen werden.

Die international bekannte nigerianische Autorin Adichie verurteilte die Gewalt in ihrer Heimat aufs Schärfste. „Der einzige Grund, in eine Menschenmenge friedlicher Zivilisten zu schießen, ist es, zu terrorisieren“, schrieb sie in der „New York Times“. „Der nigerianische Staat hat sich gegen seine Bürger gewandt.“

Ausgelöst worden waren die Proteste ursprünglich durch ein Video, das einen Beamten der mittlerweile aufgelösten Eliteeinheit Special Anti-Robbery Squad (SARS) beim Töten eines jungen Mannes zeigte und in den sozialen Medien die Runde machte. Inzwischen fordern die meist jungen Demonstranten weitreichende Polizeireformen. Sie nutzen auch die sozialen Netzwerke für ihre Zwecke: Unter dem Hashtag #EndSARS verbreiteten sich die Proteste schnell im In- und Ausland.

Das bevölkerungsreichste Land Afrikas gilt als Stabilitätsanker auf dem Kontinent. Im westafrikanischen Staatenbündnis Ecowas spielt der Staat eine führende Rolle. Nach dem Putsch im Krisenstaat Mali - wo im Rahmen einer UN-Mission auch Bundeswehrsoldaten stationiert sind - verhalf er als Vermittler dem Land zu einem politischen Übergang.

(th/dpa)
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