Mozzarella erstmals beliebter Frankreich erlebt eine Camembert-Krise

Paris · In Frankreich wird zum ersten Mal mehr Mozzarella gegessen als die Spezialität aus der Normandie. Der Verkauf des Camembert geht seit Jahren zurück. Experten erkennen darin einen Kulturwandel, Frankreichs Käsereien ein Problem.

 Ein Camembert aus dem Ofen.

Ein Camembert aus dem Ofen.

Foto: dpa-tmn/Mareike Pucka

Rund tausend Käsesorten soll es in Frankreich geben, doch wenn es darauf ankommt, fällt den meisten nur eine ein: der Camembert. Ausgerechnet jener stinkende Rohmilchkäse also, der oft den krönenden Abschluss eines üppigen Mahls bildet. Aber die Spezialität aus der Normandie hat unter den Französinnen und Franzosen an Popularität verloren. Erstmals aßen die Menschen in diesem Jahr mehr Mozzarella als Camembert, teilte die Gewerkschaft der Camembert-Produzenten SNFC mit. Vom Jahresanfang bis zum 11. September wurden 29.230 Tonnen Camembert und 33.100 Tonnen Mozzarella verkauft, sagte der SNFC-Vorsitzende Fabrice Collier der Zeitung „Le Figaro“.

Für den Camembert bestätigt sich damit eine Entwicklung, die bereits seit Jahren anhält. Der Verkauf des Traditionsprodukts mit der weißen Haut und dem gelben Inneren geht ohnehin schon jährlich um drei Prozent zurück. In den 1980er Jahren wurden in Frankreich noch 180.000 Tonnen des Rohmilchkäse produziert - heute sind es noch halb so viel. Der Mozzarella-Verkauf steigt dagegen jedes Jahr um rund fünf Prozent. Im vergangenen Jahr, wo während der verschiedenen Lockdown-Phasen besonders viel gekocht wurde, waren es sogar plus 21 Prozent.

Collier und andere Experten weisen darauf hin, dass die beiden Käsesorten nicht zu vergleichen sind. Die italienische Käsekugel in Salzlake wird oft zum Überbacken hergenommen - sogar französische Starköche geben inzwischen ihre Rezepte mit Mozzarella weiter. Der Camembert bleibt dagegen ein klassischer Käse, der zum Brot gegessen wird. Kochrezepte mit ihm sind rar. Die Hersteller versuchten zwar, mit anderen Verpackungen, Mini-Portionen oder neuen Geschmacksrichtungen den Camembert attraktiver zu machen. Doch der Erfolg blieb bislang aus.

Jahrelang hatten die Produzenten darum gestritten, was überhaupt ein echter Camembert ist. Von einem wahren „Camembert-Krieg“ war die Rede. Sterneköche wie Anne-Sophie Pic und Michel Brad mischten sich ein und warnten davor, den Camembert zu einer „ordinären weichen Paste ohne Geschmack“ zu machen. Sie stellten sich damit auf die Seite der kleinen Produzenten, die ein handgeschöpftes Rohmilchprodukt anbieten. Ihnen stehen Konzerne wie der Milchriese Lactalis gegenüber, die einen industriell gefertigten Käse aus pasteurisierter Milch herstellen. Jenen Camembert der Marken Président oder Coeur de Lion, der auch in Deutschland in den Supermarktregalen liegt.

Gerade die Massenprodukte schmückten sich jahrelang mit der Aufschrift „Hergestellt in der Normandie“, die geschickt kaschierte, dass die Milch aus anderen Regionen Frankreichs kam. Seit 1. Januar ist das aber laut einer Entscheidung der Wettbewerbsbehörde verboten. Die Bezeichnung ist lediglich den kleinen Produzenten vorbehalten, die die geschützte Herkunftsbezeichnung AOP für sich beanspruchen dürfen. Bei der Herstellung des Camembert sind sie allerdings eine Minderheit: 60.000 Tonnen kommen von den Großkonzernen, 6000 von den AOP-Käsern.

Gegen die Konkurrenz des Mozzarella könnten sich die beiden verfeindeten Lager nun zusammen schließen. Sie müssen vor allem überlegen, wie sie den Camembert für jüngere Französinnen und Franzosen wieder attraktiver machen. Die 35- bis 49-Jährigen sind nämlich diejenigen, die den meisten Mozzarella kaufen. Der Camembert hat dagegen seine Liebhaber vor allem bei den über 65-Jährigen.

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