Katrina lässt Kriminalität in New Orleans steigen Mit der Flut kam das Verbrechen

New Orleans (RPO). Katrina? Die meisten Amerikaner denken bei diesem Namen nicht an eine Frau, sondern an die verheerende Naturkatastrophe. Genau fünf Jahre ist es nun her, als New Orleans in den Fluten versank.

Die tiefen Narben von New Orleans
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Die tiefen Narben von New Orleans

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Foto: AFP

Dunkle Wolken haben sich über New Orleans zusammengezogen, erste Tropfen fallen. "Gut so", sagt Polizeioffizier James Young erleichtert. "Wenn es regnet, verüben die Leute weniger Verbrechen." Young hat eben einen Einsatz in einem kleinen Laden hinter sich: Raubüberfall, ein Opfer liegt blutüberstömt am Boden - Alltag in New Orleans fünf Jahre nach dem Hurrikan "Katrina".

Mordhauptstadt der USA

Die Nachwehen der Naturkatastrophe schlagen sich auch in der Verbrechensstatistik nieder: New Orleans ist auf dem Weg zur Mordhauptstadt der USA, "Katrinas" Verwüstungen haben auch das soziale Gefüge zerstört.

Allein für das laufende Jahr erwartet die Polizei 200 Morde. Pro Kopf der Bevölkerung hätte New Orleans damit die höchste Mordrate aller Großstädte in den USA. Die Verwüstungen nach "Katrina" haben die Kriminalität regelrecht angelockt. Ganze Stadtteile stehen immer noch leer, die halb verfallenen Häuser bieten sich als Schlupfwinkel für Drogendealer an. Und wo harte Drogen sind, ist die Gewalt nicht fern. 23 Prozent der Menschen in New Orleans leben unterhalb der Armutsschwelle, US-weit sind es nur 13 Prozent.

Kriminelle als Gewinner

Im Chaos nach der Sturmkatastrophe hat es viele Verlierer gegeben. Kriminelle aber zählen zu den Gewinnern. Polizei und Justiz werden dem Problem nicht Herr. "Seit dem Sturm hat es hier 840 Morde gegeben und nicht einmal 50 Verurteilungen vor Gericht", sagt der Kriminologe Peter Scharf von der Tulane-Universität in New Orleans - und fügt mit düsterem Sarkasmus hinzu: "Es ist wirklich eine gute Zeit, um Morde in New Orleans zu begehen."

Viele Zeugen würden sich nicht bei der Polizei melden, weil sie Angst vor Racheakten der Drogenmafia hätten, sagt Scharf. Außerdem herrsche gegenüber der Polizei riesiges Misstrauen, was das Problem verschärfe.

Serie von Polizeiskandalen

Eine Serie von Polizeiskandalen hat das Vertrauen der Bürger in die Ordnungskräfte untergraben. Kriminelle Verbindungen, Korruption, Vertuschungsmanöver - die Liste der Vorwürfe ist lang. Der in diesem Jahr gewählte Bürgermeister Mitch Landrieu bezeichnet die eigene Behörde als "eine der schlechtesten Polizeieinheiten im ganzen Land". Landrieu forderte offiziell von der Regierung in Washington Hilfe bei der Umstrukturierung seiner Polizei an. "Um die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten, ist eine komplette Transformation nötig", schrieb er an Justizminister Eric Holder.

"Transformation" könnte auch als allgemeines Motto über der derzeitigen Lage in New Orleans stehen. Um der Kriminalität den Nährboden zu entziehen, hat die Stadt ganze Sozialwohnungsanlagen abreißen lassen. Damit keine neuen Ghettos entstehen, werden freundliche neue Appartmenthäuser gebaut, die auch die Mittelschicht ansprechen sollen.

Eines jener Bauprojekte zählt auch zum Patrouillegebiet von Polizeioffizier Young. "Diese Gegend war früher die reinste Kloake", berichtet er bei einem Rundgang. "Es ist nun schon ein Unterschied zu früher." Die Bauherren haben dem Projekt im ehemaligen Problembezirk den wohltönenden Namen "River Garden" verpasst. Viele Appartments freilich stehen immer noch leer. "Das sind schon nette Wohnungen, nur muss man jetzt noch jemanden überzeugen, tatsächlich hierherzuziehen", sagt Young.

(AFP/apn/bs)
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