Finanzkrise in Kalifornien Leichen stapeln sich in Gerichtsmedizin

Los Angeles (RPO). Der US-Bundesstaat Kalifornien steckt in der schwersten Rezession seit Jahrzehnten. Die Menschen spüren die Finanzkrise in allen Bereichen - auch in der Gerichtsmedizin. Immer mehr Leichen lagern hier, ohne dass sie von Angehörigen abgeholt werden.

 Mit Serien wie "CSI" hat der reale Alltag der Rechtsmediziner wenig zu tun.

Mit Serien wie "CSI" hat der reale Alltag der Rechtsmediziner wenig zu tun.

Foto: ddp, ddp

Die Folgen der Krise reichen bis ins Büro von Craig Harvey, der als Chefermittler für die Gerichtsmedizin in Los Angeles arbeitet. Sein Problem: In den städtischen Leichenhallen lagern immer mehr sterbliche Überreste von Menschen, die nicht von den Angehörigen abgeholt und bestattet werden. Sie enden in anonymen Gruppengräbern.

"Als Grund nennen uns die Angehörigen den wirtschaftlichen Niedergang", sagt Harvey. "Sie sagen uns, dass sie einfach nicht genug Geld haben, um die Leute selbst zu Grabe zu tragen." Wenn Leichname binnen eines Monats nicht abgeholt werden, lässt die Gerichtsmedizin sie auf Staatskosten kremieren. In den letzten zwölf Monaten geschah dies 712 Mal, im gleichen Zeitraum zuvor nur 525 Mal - ein Plus also von 36 Prozent. Bei den meisten Leichen in der Gerichtsmedizin handelt es sich um Mordopfer oder Menschen, die unter verdächtigen Umständen zu Tode kamen.

Der Tod ist keine billige Angelegenheit, und gerade in Kalifornien sind viele Menschen durch plötzliche Arbeitslosigkeit oder Überschuldung durch den Hauskauf völlig mittellos. Bei der Abholung einer Leiche in der Gerichtsmedizin wird eine Gebühr von 200 Dollar fällig; wenn die Überreste bereits kremiert wurden, sind es 450 Dollar. Eine private Einäscherung kostet tausend Dollar, eine Bestattung im Erdgrab schlägt durchschnittlich mit 7300 Dollar zu Buche. "Es sieht wirklich so aus, als habe diese Rezession eine besonders große Zahl von Leuten getroffen", resümiert Gerichtsmediziner Harvey.

Längst hat die Krise auch die privaten Bestattungsunternehmen erreicht. "Die meisten Unternehmen berichten uns, dass die Angehörigen bei Todesfällen andere Entscheidungen treffen als früher", sagt Jessica Koth vom US-Verband der Bestatter (National Funeral Directors' Association). Im Klartext heiße das: Die Hinterbliebenen legen Wert auf preisgünstige Särge und Urnen, die Blumengebinde fallen kleiner aus, die Begräbnisfeiern sind nicht ganz so feierlich. Das drückt auf die Branche, die angesichts der jährlich 2,4 Millionen Toten in den USA ein Milliardengeschäft macht.

Die Krise verstärkt auch den Trend zur kostengünstigen Feuerbestattung, der in den USA seit Jahren zu beobachten ist. Im Jahr 2007 wurden nach Angaben des Branchenverbands bereits 35 Prozent der Gestorbenen in Feuerbestattungen beigesetzt. Ein Jahrzehnt zuvor waren es nur 23,6 Prozent. "Die Zahl der Einäscherungen ist seit den 60er Jahren jedes Jahr gestiegen", sagt Verbandssprecherin Koth.

(AFP/jtö)
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