"Tag X" für "Generation Y" Kuba lässt weltbekannte Bloggerin frei

Yoani Sánchez schrieb seit 2007 in ihrem Blog " Generación Y" kritisch über ihre Heimat Kuba. Nun enden Jahre des Wartens. Für die Dissidentin und Autorin kam der langersehnte "Tag X". Sie darf reisen.

 In ihrem Buch "Cuba libre" schrieb die mehrfach ausgezeichnete Bloggerin Yoani Sánchez auch gedruckt über ihr Leben auf Kuba.

In ihrem Buch "Cuba libre" schrieb die mehrfach ausgezeichnete Bloggerin Yoani Sánchez auch gedruckt über ihr Leben auf Kuba.

Foto: Cover

Yoani Sánchez schrieb seit 2007 in ihrem Blog "Generación Y" kritisch über ihre Heimat Kuba. Nun enden Jahre des Wartens. Für die Dissidentin und Autorin kam der langersehnte "Tag X". Sie darf reisen.

Yoani Sánchez blieb skeptisch bis zum Schluss, auch wenn sie ihren Reisepass fest in den Händen hielt. "Ich werde erst dann "AHHHH!!" schreien, wenn ich im Flugzeug sitze", sagte sie immer wieder. Ob der Freudenschrei wirklich erklang, können wohl nur die Passagiere des Flugzeuges bestätigen, in das Yoani Sánchez am Sonntag in Havanna einstieg. Das Ziel war Brasilien mit Zwischenstopp in Panama. Für die 37-Jährige wurde wahr, was für alle Kubaner Wirklichkeit werden soll: Reisefreiheit.

Sánchez war am 14. Januar eine der Ersten in Kuba, die einen Reisepass beantragten. Erstaunlich unproblematisch erhielt sie ihn rund zwei Wochen später. Am Sonntag schlug nun die Stunde der Wahrheit. Sánchez wurde von ihrem Ehemann Reinaldo Escobar, Freunden und Familienangehörigen zum Flughafen gebracht. "Ich habe sehr intensive Tage durchlebt, und alles scheint mir wie ein Traum", sagte die Philologin, die in Sachen Reisen sehr viel Nachholbedarf hat.

Sie will gleich rund ein Dutzend Länder besuchen. Eine Reiselust, die nur verstehen kann, wer jahrelang nicht reisen durfte. Ostdeutsche wissen ganz genau, wie das ist. Als 1989 die Mauer fiel, war bei vielen der Drang zu reisen unermesslich. Alles sehen, alles erleben, sich frei fühlen.

Vielleicht wären viele selbst in die DDR zurückgekehrt, wenn sie erstmal hätten reisen können. Denn Heimat ist Heimat, und draußen ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Anders als die Garde um den damaligen SED-Partei- und Staatschef Erich Honecker haben die Karibik-Sozialisten das möglicherweise verstanden.

Dabei kennt Yoani Sánchez das Gefühl, im Ausland zu leben. Zwei Jahre war sie 2002 in der Schweiz. Sie kam 2004 aus familiären Gründen zurück. Und jetzt, wo sie frei reisen kann, denkt sie gar nicht daran auszuwandern. "Wenn ich es schaffe zu reisen, dann um (nach Kuba) zurückzukehren", sagte sie immer wieder.

Mit der im Oktober 2012 angekündigten und im Januar umgesetzten Migrationsreform hat sich in Kuba einiges geändert. Die bislang für Reisen benötigte verhasste Sondergenehmigung ("Carta blanca") fiel weg, und auch eine Einladung aus dem Ausland wird nicht mehr gebraucht. Zudem dürfen Privatreisen künftig bis zu 24 Monate statt wie bisher nur elf Monate dauern. Grundsätzlich kann jeder Kubaner reisen, der einen Reisepass hat, die notwendigen Finanzmittel und ein eventuell erforderliches Visum des Ziellandes.

Sánchez sah den Rummel um ihre Ausreise mit gemischten Gefühlen.
"Eigentlich sollte es doch keine Nachricht sein, dass eine Person einen Reisepass hat und an Bord eines Flugzeuges gehen kann", sagt sie. Mit jedem weiterem Flug dürfte das Nachrichteninteresse wohl nachlassen und Reisen zwischen Kuba und der Welt das werden, was sie sein sollten, nämlich normal.

Sánchez wollte in Brasilien im Bundesstaat Bahia an der Vorführung des Dokumentarfilms "Conexão Cuba Honduras" (Beziehung Kuba Honduras)
von Dado Galvão teilnehmen. In dem Film geht es um Pressefreiheit, und Sánchez ist eine der Interviewten. Dann läuft der Flugkilometer-Zähler heiß: "Von Brasilen geht's in die Tschechische Republik, danach Spanien, Mexiko, die USA und dann nach Holland. Von Holland geht's nach Deutschland, dann in die Schweiz, nach Schweden, Italien und noch einmal Spanien", rattert sie die Reiseziele runter.
Auch Chile und Argentinien sind geplant. Vorträge, Interviews, unzählige Treffen stehen auf dem Programm. Kuba will erklärt werden.

Sánchez wurde durch ihren 2007 gestarteten Internet-Blog "Generación Y" weltbekannt. Dort kommentiert und kritisiert sie zum Ärger der sozialistischen Nomenklatura um Präsident Raúl Castro die Vorgänge auf Kuba. 2011 setzte sie die Zeitschrift "Foreign Policy" auf die Liste der 100 einflussreichsten Denker der Welt. Man darf in den kommenden Wochen auch gespannt sein auf die Zwischentöne, die Sánchez bei ihrer Kuba-Bilanz anschlägt. Denn das von ihr kritisierte Castro-Regime hat trotz aller bestehenden Unfreiheiten einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan.

(dpa/pst)
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