Eine Milliarde für Notre-Dame Ist der Spender der Dumme?

Meinung | Paris · Fast eine Milliarde Euro an Spenden sind für den Aufbau der Kathedrale geflossen. Die Kritik daran ist groß - und sie ist falsch. Am Ende sind jene die Dummen, die helfen, und jener ist der Gute, der nichts tut.

Notre-Dame: So beschädigt ist die Kathedrale in Paris von innen
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So beschädigt ist die Kathedrale von innen

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Foto: AFP/LUDOVIC MARIN

Notre-Dame wurde fast ein Opfer der Flammen. Das ist eine Katastrophe! Für den Wiederaufbau der weltberühmten Kathedrale versprachen Spender innerhalb von 24 Stunden fast eine Milliarden Euro. Das ist großartig! Oder doch nicht?

Immer mehr Kritiker melden sich zu Wort und führen ins Feld, dass für ein zerstörtes Monument ohne Probleme so viel Geld lockergemacht wird, während humanitäre Hilfsorganisationen, die Menschenleben retten, kaum über die Runden kommen. Dieser Einwand ist berechtigt, diese Diskrepanz ist nur schwer zu ertragen. Vor allem im Internet schlagen die Wellen hoch.

Bilder von Feuer in Notre-Dame: Flammen schlagen aus Kathedrale in Paris
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Flammen schlagen aus der Kathedrale Notre-Dame in Paris

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Foto: AP/Francois Mori

Und dennoch: die Hilfsbereitschaft in Sachen Notre-Dame ist richtig und muss mit kühlem Kopf bewertet werden. Tatsache ist, dass diese überwältigende Spendenbereitschaft für ein Monument ein Einzelfall ist, ein Ausreißer nach oben. Allein aus diesem Grund ist die Vergleichbarkeit schwierig.

Tatsache ist auch, dass viele Hilfsorganisationen zwar immer wieder um ihre Finanzierung fürchten müssen, doch das heißt nicht, dass keine Spenden für Notleidende fließen würden. Allein in Deutschland wurden, nach Angaben des Deutschen Spendenrates, im vergangenen Jahr von Privatpersonen über fünf Milliarden Euro gespendet – fast dreiviertel davon für humanitäre Zwecke, nur knapp 2,5 Prozent für den Erhalt von Kulturdenkmälern.

Auch ist es gefährlich, Spendenzwecke miteinander zu vergleichen. Wenn jemand für notleidende Kinder in Afrika Geld gibt, könnte gefragt werden, weshalb er sich nicht für die armen Kinder in Osteuropa einsetzt, oder für jene in Deutschland? Und ist eine Spende für Syrien besser als eine Spende für den Irak? Und was ist mit den Spenden für den Tierschutz? Wäre das Geld nicht bei den Menschen besser aufgehoben? Auf diese Weise kann jede Spende hinterfragt werden. Doch wohin führt das? Am Ende sind jene die Dummen, die helfen und jener ist der Gute, der nichts tut.

Vielleicht wäre es besser, wenn die Kritiker innehalten, von ihrem moralisch sehr hohen Ross absteigen und sich mit den vielen anderen Menschen freuen, dass es so viel Hilfsbereitschaft gibt. Notre-Dame ist auf vielerlei Weise ein Extremfall. Er zeigt aber auch, dass die Grenze zwischen berechtigter Kritik und vernichtender Miesmacherei sehr schmal ist.

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