Hunderte Demonstranten vertrieben Krawalle überschatten Papst-Besuch in Brasilien

Rio de Janeiro · Am Rande des Brasilien-Besuches von Papst Franziskus ist es in Rio de Janeiro zu Randale gekommen. Dabei wurde ein Polizist verletzt. Hunderte Demonstranten wurden vertrieben, es gab Festnahmen. Auch während der Fahrt des Papstes durch die Innenstadt gab es turbulente Minuten, als sein Auto mehrfach von den Menschenmassen gestoppt wurde.

Krawall und Jubel - die zwei Seiten des Papst-Besuchs in Brasilien
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Die erste Auslandsreise des neuen Papstes Franziskus in Rio de Janeiro begann mit einer Szene, die der Alptraum jedes Sicherheitsbeamten ist: Während der Fahrt durch die Innenstadt mit einem Kleinwagen umringt eine Menschenmenge das Auto des Papstes. Der silberne Fiat Idea steckt fest. Absperrungen gibt es nicht, und Polizisten sind am Straßenrand auch nicht in Sicht. Die Situation droht außer Kontrolle zu geraten. Angeblich soll sich der Konvoi des Papstes verfahren haben. Eskortiert wurde Franziskus nur von wenigen Leibwächtern sowie drei brasilianischen Polizeiwagen.

Der Sekretär des Papstes habe es mit der Angst zu tun bekommen, doch Franziskus sei gelassen geblieben und habe den Menschen zugewunken, berichtete Vatikansprecher Federico Lombardi später. Er sprach von einer "einzigartigen Erfahrung" und einem "großen Enthusiasmus" der Menschen. Nur für das letzte Stück zum Gouverneurspalast gab der Papst den Sicherheitsbedenken der Behörden nach und bestieg - anders als vorgesehen - einen Hubschrauber.

Im Palast angekommen, der bereits vor wenigen Tagen Schauplatz von Protesten gegen den Papstbesuch war, zeigte sich Franziskus entspannt und gut aufgelegt. In seiner Rede bei der offiziellen Begrüßungszeremonie durch Staatspräsidentin Dilma Rousseff rückte er den eigentlichen Anlass seiner Reise in den Vordergrund: den katholischen Weltjugendtag. Er sei gekommen, um junge Leute aus allen Teilen der Welt zu treffen. Der Papst forderte dazu auf, die materiellen und geistigen Voraussetzungen zu schaffen, damit sich Jugendliche voll entfalten könnten. Ihnen müssten Sicherheit, Bildung, bleibende Werte und eine "transzendentaler Horizont" vermittelt werden.

Randale vor dem Palast

Auf die jüngsten Unruhen in Brasilien ging Franziskus in der ersten Rede seines Besuches nicht unmittelbar ein. Er bitte einfach darum, diese Woche mit ihnen verbringen zu dürfen:"Ich habe weder Gold noch Silber, aber ich bringe das Wertvollste, das mir gegeben wurde: Jesus Christus." Auffallend war, dass Franziskus auch im Ausland von sich selbst als Bischof von Rom sprach. Die zuletzt unter Druck geratene Staatspräsidentin Rousseff nutzte ihrerseits die Gelegenheit, um für ihren "Pakt für Brasilien" zu werben und die Vision einer sozialeren und gerechteren Gesellschaft zu entwerfen.

Die Sicherheitskräfte, die vor dem Gouverneurspalast in größerer Zahl Dienst taten, hatten offenbar den Wunsch des Papstes beherzigt: Die meisten trugen keine automatischen Waffen. Kurz nach der Ansprache des Papstes kam es in der Nähe des Palácio Guanabara kurzzeitig zu Konfrontationen zwischen Randalierern und der Polizei. Dabei wurde ein Polizist nach offiziellen Angaben durch einen Molotow-Cocktail verletzt.

Tränengas und Gummigeschosse gegen Demonstranten

Nach Angaben der Fernsehsenders "Globo" wurde auch ein Journalist durch einen Brandsatz verletzt. Die Polizei setzte den Angaben zufolge Gummigeschosse, Tränengas und Wasserwerfer gegen Demonstranten ein, die gegen die hohen Kosten des Papst-Besuches und den Einfluss der Kirche protestierten. Hunderte Protestler wurden vertrieben, berichteten Korrespondenten der Nachrichtenagentur AFP. Ein Fotograf habe blutend am Boden gelegen. Die Polizei meldete fünf Festnahmen.

Am Wallfahrtsort Aparecida (Bundesstaat São Paulo), den der Papst am Mittwoch besucht, fand die Polizei am Sonntag einen selbst gebastelten Sprengsatz in der Toilette einer Parkanlage. Der Sprengsatz wurde unschädlich gemacht. Es habe zu keiner Zeit Gefahr für die erwarteten Pilger bestanden, so die Polizei.

Der Besuch des Papstes und der am Dienstag beginnende Weltjugendtag kosten den brasilianischen Steuerzahler mehr als 40 Millionen Euro. In Brasilien waren schon im Juni hunderttausende meist jugendliche Demonstranten gegen Korruption und die Verschwendung von Steuermitteln etwa für die Fußballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 auf die Straße gegangen. Teilweise gab es gewaltsame Zusammenstöße mit der Polizei.

Papst prangert Jugendarbeitslosigkeit an

Begonnen hatte Franziskus' Reise am Montagmorgen mit einer Überraschung: Auf dem Weg zum Weltjugendtag prangerte der Papst nicht etwa nur die hohe Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern an. Er beklagte auch die gesellschaftliche Ausgrenzung alter Menschen. Was für viele alte Menschen schon längst Realität sei - dass sie nämlich als vermeintlich nutzlose Gruppe an den Rand gedrängt würden - drohe auch den arbeitslosen Jugendlichen, so Franziskus.

Jugendliche, die keine Arbeit hätten, verlören ihre Würde. Seine Botschaft für den Weltjugendtag lautete: Die Jugendlichen müssten besser in ihr soziales Umfeld integriert werden. Familie, Gesellschaft, Vaterland und Glauben müssten ihnen mehr Rückhalt geben, forderte der Papst.

Im Gegensatz zu Benedikt XVI. und Johannes Paul II. hatte Franziskus auf eine Pressekonferenz während des Fluges von Rom nach Rio verzichtet. Er wisse selbst nicht so genau, warum er keine Interviews gebe, gestand er den Journalisten. Er fühle sich unter ihnen ein bisschen wie der Prophet Daniel in der Löwengrube. Möglicherweise sei ihm das zu anstrengend, so der Papst - der sich freilich um eine gute Presse bislang nicht sorgen musste.

An diesem Dienstag kann sich Franziskus zunächst von den Strapazen des rund zwölfstündigen Flugs erholen; öffentliche Termine sind nicht vorgesehen. Der Eröffnungsgottesdienst des Weltjugendtages am Nachmittag (Ortszeit) findet traditionell ohne den Papst statt.

(KNA/dpa/AFP)
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